Urtīca [1]

[969] Urtīca L, (Nessel, Brennessel), Gattung der Urtikazeen, ein- oder mehrjährige Kräuter, mit gegenständigen, gesägten bis gezahnten, selten eingeschnitten gelappten, meist mit Brennhaaren besetzten Blättern, grünlichen Blüten in blattwinkelständigen, eingeschlechtlichen oder androgynen, cymös zweispaltigen Blütenständen und trockener, eiförmiger oder oblonger Schließfrucht. Etwa 30 Arten in den gemäßigten Klimaten beider Erdhälften. Die Brennhaare besitzen eine knopfähnliche, glasartige Spitze (s. Tafel »Unkräuter II«, Fig. 11), die bei Berührung mit der Haut leicht abbricht und die letztere ritzt, wobei ein heftig brennender Saft aus der Haarzelle in die Wunde fließt. U. dioica L. (große Brennessel), bis über 1 m hoch, mit länglich herzförmigen, grob gesägten Blättern, hängenden Blütenrispen, zweihäusig, seltener einhäusig, ist weit verbreitet und bedeckt oft große Strecken. In einigen Auwäldern des Oberrheins bildet sie mannshohe dichte Bestände. U. urens L. (kleine Brennessel, s. Tafel »Unkräuter II«, Fig. 11), 15 bis 30 cm hoch, mit elliptisch eirunden, eingeschnitten gesägten Blättern, aufrechten Blütenrispen, einhäusig, ist ebenfalls weitverbreitet und mit der großen Nessel durch die Wikinger nach Grönland gelangt. Beide Arten nesseln nicht in der Jugend und nicht im Alter; bei schnellem, starkem Angreifen der Pflanze werden die Brennhaare zurückgebogen und verwunden weniger leicht. Man benutzt die Nesseln als Viehfutter, jung als Gemüse (Rußland, Walachei), arzneilich zum Peitschen gelähmter Glieder (Urtikation). Die Bastfaser der großen Nessel diente vor Einführung der Baumwolle zur Darstellung von Nesselgarn und Nesseltuch. Nesselzwirnfabriken bestanden vielfach noch im Beginn des 18. Jahrh., die letzte in Leipzig 1720. Auch U. cannabina L., 1–2 m hoch, mit dreiteiligen Blättern und fiederteiligen oder doppelt fiederteiligen Abschnitten, in Sibirien, vom Ural bis Dasurien und in Persien, U. japonica Thunb. in Japan etc., liefern Bastfasern. Manche exotische Arten sind berüchtigt wegen des starken Nesselns, so die javanische U. stimulans L. und die ostindische U. crenulata Roxb., die einen lange anhaltenden wütenden Schmerz verursachen, besonders aber U. urentissima Blume (Teufelsblatt), auf Timor, deren Nesseln jahrelang, ja lebenslänglich anhält und bei feuchtem Wetter sich steigert. Überhaupt werden alle durch Nesseln verursachten Entzündungen durch hinzutretende Nässe verlängert. Früher wurden unsre Nesseln, wie noch jetzt manche exotische, als Arzneimittel benutzt, auch als Aphrodisiaka, wie U. membranacea Pair. in Ägypten. Die Knollen von U. tuberosa Roxb. werden in Indien gegessen. Vgl. Bouché und Grothe, Die Nessel als Textilpflanze (Berl. 1877); Rößler-Ladé, Die Nessel eine Gespinstpflanze (Leipz. 1878); V. Müller, Deutsche Brennesseln, ihre Kultur und Verwertung (Stuttg. 1879).[969]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 969-970.
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