Versprechen [2]

[109] Versprechen (Besprechen), das Hersagen von Segen s- oder Bannformeln unter Beobachtung gewisser Zeremonien, auch das Aufschreiben der Formeln auf einen Zettel, z. B. Fieberverschreiben, um Krankheiten oder Wunden zu heilen, Blutungen zu stillen (»Blutversprechen«), oder dadurch Feuersbrünste zu löschen (s. Feuerbesprechen und Sator-Arepo-Formel) etc. Das Verfahren wurzelt in dem Glauben der Naturvölker, daß alle Krankheiten durch Bezauberung entstehen. Der Glaube an die Macht des »gesprochenen oder geschriebenen Wortes oder Spruches« über jene drohenden Mächte und Gefahren ist beinahe allverbreitet; wir begegnen dem Blutversprechen in der Odyssee (XIX, 457) und dem Runenzauber Odins in der Edda. Das Christentum konnte diesen Aberglauben um so weniger ersticken, als ja die Heilung der Besessenen und alles Exorzisieren, Beschwören und Bannen durch kirchlichen Segen und Machtspruch auf gleichem Glauben an die Macht gewisser Formeln beruht. Die alten Formeln wurden christianisiert, indem man an die Stelle der Anrufungen heidnischer Dämonen die Namen Christi und der Heiligen setzte. Die ältesten und merkwürdigsten deutschen Segensformeln aus dem 10. Jahrh. sind die sogen. Merseburger Zaubersprüche (s. d.). Weitere Sammlungen solcher Segen finden sich z. B. im Anhang zur ersten Ausgabe von J. Grimms »Deutscher Mythologie«, in Wolfs »Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde« (Götting. 1853–59) und im Anhang zu Wolfs »Beiträgen zur deutschen Mythologie« (das. 1852). Die in der Provinz Preußen gebräuchlichen Formeln hat H. Frischbier (»Hexenspruch und Zauberbann«, Berl. 1870), die russischen L. Maikow (Petersb. 1869) herausgegeben. Vgl. Beschwörung.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 109.
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