Eleusinien

[634] Eleusinien (Eleusinĭa, Eleusinische Mysterien), unter den alten Mysterien die wichtigsten. Über ihren Ursprung herrschten schon früh die verschiedensten Meinungen; Kadmos, Inachos, Eumolpos, Orpheus, Erechtheus, nach dem athenischen Volksglauben Demeter selbst sollen sie gestiftet haben. Gewiß waren die E. ein Erntefest, verbunden mit einem geheimen Culte, welcher vermuthlich pelasgischen Ursprungs war u. an den Sagenkreis der Gottheit Demeter sich anlehnte. Anfangs hatten die E. den Charakter eines ländlichen Festes; Opfer, Aufzüge, Wettkämpfe um den einfachen Preis eines Maßes Gerste, kamen bei der Feier vor; einfache Symbole des Ackerbaues, der heilige Wagen mit Scheibenrädern, die mystische Wurfschaufel, Pflug, Blumenkörbe, Kisten mit Früchten u. dem Phallus, gaben dem Feste einen einfachen, die patriarchalische Zeit der Entstehung verrathenden Charakter. Später erhielten die Mysterien eine größere Bedeutung, vorzüglich durch die Orphiker. Sie bestanden in symbolischen Handlungen, welchen die Vorstellungen vom Vergehen u. Entstehen der Pflanzenwelt zu Grunde lagen, In Attika erhielt die Feierlichkeit später eine nationale Bedeutung. Die großen E. begannen am 15. des Monats Boëdromion (SeptemberOctober) u. dauerten 9 Tage. Die Hauptfeier fand in dem großen Tempel der Demeter zu Eleusis statt. Dieser Tempel, der nach Zerstörung des alten von Perikles neu erbaut wurde, faßte wenigstens 30. 000 Menschen. Die kleinen E. wurden in Athen im Monat Anthesterion zu Anfang des Frühjahrs gefeiert. Zu beiden Festen hatten Männer u. Frauen Zutritt; nur gegen Mörder, Nichtgriechen u. später Sklaven u. Unehelichgeborne wurde das bekannte: Fern, fern, ihr Profanen! ausgerufen. Später waren auch Epikureer u. Christen ausgeschlossen. Die Todesstrafe stand auf Einmischung eines Solchen in dieselben, so wie auf Verrath der Geheimnisse. Doch scheint die spätere Zeit diesen Brauch gemildert zu haben. Die Oberaufsicht hatte der zweite Archont (Basileus) mit 4 Gehülfen (Epimeletä); der Feier standen vor: die 10 Hieropöen, deren vornehmste waren: der Hierophant, der Daduchos, Fackelträger, Hierokeryx, Opferherold, welcher den Hermes, u. der Altpriester Epibomios, welcher symbolisch den Mond vorstellte; niedere Priester waren: Jakchagogos, der am 7. Tage der Feier das Bild des Iakchos trug u. die Iakchosprocession leitete; Hydranos, der die Einzuweihenden reinigte; Daelrites, der bei der Persephonefeier amtirte; Lykomidä, ein altes Priestergeschlecht in Attika (s.u. Lvkos); Spondophoroi, welche die heilige Spende bewachten; Phyrphoroi, welche das Feuer zur Weihung trugen; Hieraules, der heilige Flötenspieler; Likuophoroi, welche in[634] heiligen Körben die zur Feier gehörenden Gegenstände auf dem Kopfe trugen; Naokoroi, welche die Vorhallen des Tempels ausschmückten u. die Altäre zu den Opfern vorbereiteten, u. A. Priesterinnen waren die Melissä od. Metropoloi u. die myrtenbekränzten Hierophantides u. Prophantides, deren Vorsteherin weibliche, Individuen einweihte. Die heiligen Worte, die als Erkennzeichen dienten, waren: Ich habe aus dem Tympanon gegessen, aus dem Kymbalon getrunken, den Kernos getragen, od.: Ich habe gekostet, aus dem heiligen Becher getrunken, den Becher aus der Kiste genommen u., da ich ihn gebraucht hatte, in den Korb u. aus dem Korbe in die Kiste gelegt. Die Feier der heiligen Tage war folgende: 1. Tag: Reinigung am Ilissos, Bekränzung mit Blumen; 2. Tag: Reinigung im Meer; 3. Tag: Opfer mit Trauer begangen; 4. Tag: Procession mit einem, auf einem Stiergespann stehenden Korbe (Kalathos) u. mit der mystischen Kiste, worin Granatäpfel (vergl. Persephone), eine Schlange u. andere chthonische Symbole verschlossen waren; 5. Tag: (Lampadon Hemera), Fackeltanz; 6. Tag: Ausführung der Bildsäule des Iakchos, so nämlich hieß Bakchos in den E. u. war als solcher Sohn der Demeter. Seine im Kerameikos in Athen befindliche Bildsäule wurde an diesem Tage in Procession, unter dem Zurufe: Jakche! Jakche! von einer großen Volksmenge nach Eleusis geholt, um der folgenden, eigentlichen Feier vorzustehn; wenn der Zug der Eingeweiheten an die Kephissosbrücke kam, so versammelte sich der umwohnende Pöbel u. ergoß sich in muthwilligem Scherz u. Spott über dieselben; dies hieß Gephyrismos (s.d.); 7. Tag: Wettkämpfe zu Ehren der Göttin; bald war der Kämpfer zu Pferd, bald zu Fuß, bald bekleidet, bald nackt; bald kam es darauf an, ein Rind auf den Schultern fortzutragen, bald den stärkern Stier bei den Hörnern niederzuziehen; der Siegespreis bestand in den Gaben der Göttin; 8. Tag (Epidauria): erneuerte Einweihung u. Einweihung der zu spät Gekommenen; 9. Tag: Umstoßung zweier Wasserurnen. In der Nacht aber wurden, wohl nur die letzten Tage, dramatische, geheime Darstellungen des Lebens u. Wirkens der Demeter, des Raubes ihrer Tochter Persephone, der Mutter Wanderungen auf der Erde u. ihrer Ankunft in Eleusis (das heilige Drama), gehalten. Entlassen wurde die Versammlung mit dem Rufe Konx Ompax, dessen Bedeutung nicht bekannt ist. Diese Mysterien waren für die Phantasie, das Auge u. das Ohr berechnet. Die athenischen Weisen brachten nach u. nach immer mehr Gehalt in die Mysterien u. benutzten die Keime, welche zur Förderung der Cultur u. Civilisation in den alten Gebräuchen u. Symbolen lagen. Vorzüglich leitete der Inhalt jener Mysterien, bei der Darstellung des Raubes der Persephone, auf die Idee eines andern Lebens u. stellte in dichterischen Symbolen die Qualen im Tartarus u. die Seligkeit im Elysium dar, daher die hohe Achtung, mit welcher Cicero u.a. ausgezeichnete Männer der folgenden Jahrh. von diesen Mysterien sprachen u. ihren Werth für das Leben rühmten. An diese Mysterien schlossen sich die großen Mysterien an, die späteren Ursprungs waren, deren Geweihte Epoptä (wenn sie noch nicht den letzten Grad erhalten hatten, Anepopteutoi), während die nur indie kleinern Eingeweihten Mystä hießen. Jene kamen in das innere Heiligthum u. wurden da über die Nichtigkeit der Volksreligion u. über die Einheit der Gottheit belehrt. Vgl. Suwarow, Sur les mystères d'Eleusis, 3. Aufl., Par. 1816; Preller, Demeter u. Persephone, Hamb. 1836.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 634-635.
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