Gehör

[71] Gehör, 1) (als Sinn Hören, Auditus, Physiol.), das Hören ist als Auffassungsweise des sinnlichen Vermögens keiner Erklärung fähig, aber jedem, dem die Natur es nicht völlig versagte, aus eigner Wahrnehmung vollkommen bekannt. Unter den Sinnen nimmt der Gehörsinn die zweite Stelle nach dem Gesichtssinn ein. Eigentlich steht er diesem gleich; beide stehen höher als die übrigen Sinne. Bes. ist alles geistige Bewußtsein so innig an Gesichts- u. Gehörvorstellung gebunden, daß ein Mensch, bei der Ermangelung von beiden von Geburt an, schwerlich dahin kommen würde, sich selbst in einer Außenwelt zu unterscheiden, u. in der geistigen Entwickelung auf der Stufe verbleiben würde, welche wir bei Thieren der niedrigsten Klassen, bei Eingeweidethieren u. ähnlichen, voraussetzen dürften. Ob die Würmer u. Weichthiere hören ist zweifelhaft; bei vielen Insecten aber ist es gewiß, daß sie zum Theil für den Schall, obschon wenig empfänglich sind, obgleich bei ihnen, wo doch das Auge so vorzüglich ausgebildet ist, von einem ohrähnlichen Organ sich keine Andeutung findet. Mit [71] Unrecht ist Fischen das G. abgesprochen worden; in ihnen sind nicht nur Gehörorgane, sondern selbst eine Verbindung dieser mit Nerven nachweisbar. Auch bei Amphibien ist die Ausbildung des Gehörorgans noch unvollkommen. Erst bei Vögeln tritt das G. mit Schärfe hervor, obgleich sie des äußern knorpeligen Ohrs entrathen. Vollendet wird dann das Gehörorgan erst bei den Säugethieren. Diese alle haben, mit Ausnahme der meist im Wasser od. unter der Erde lebenden, ein äußeres Ohrenpaar zum Auffangen der Schallstrahlen, wo dann diese durch den äußern Gehörgang zu dem innern Ohr gelangen u. hier Schallerschütterungen bewirken, die, vom Gehörnerven aufgefaßt, zum Bewußtsein gelangen. Wie überhaupt feste u. starke Körper den Schall vorzugsweise leiten, so dienen auch sämmtliche, bes. die unmittelbar durch Nähte zu Einem Ganzen (dem Hirnschädel), verbundenen Kopfknochen zur Leitung desselben, daher auch der Schall von tönenden Körpern durch einen Mittelkörper, den man zwischen die Zähne faßt, selbst noch besser vernommen wird, als durch Vermittlung der zum äußersten Ohr gelangenden Luft, bes. wenn durch Verstopfung der Ohren andere Klänge von der Wahrnehmung ausgeschlossen bleiben. Die Bildung des äußern Ohrs, bes. des innern muschelförmigen Theils desselben, hat auf das G. wesentlichen Einfluß. Theilweise liegt in der etwas abweichen- Bildung derselben ein Grund der verschieden Schärfe des G-s. Man hört daher auch besser, wenn man das Ohr in seiner innern Krümmung dem Schalle zuwendet. Die meisten Thiere haben durch Beweglichkeit der äußeren Ohren ein Hülfsmittel für das G. Menschen haben zwar Muskeln für die Bewegung des äußern Ohrs, aber sie sind mit nur seltnen Ausnahmen der Willkür nicht unterworfen, ungeachtet durch Anspannung der ganzen Gesichts- u. Kopfhaut auch die Ohren an dieser Bewegung in etwas Theil nehmen; daher auch der eigne Gesichtsausdruck beim aufmerksamen Hören. Auch die innern Ohrtheile sind durch eigne Muskeln (s.u. Ohrmuskeln) einer stärkern Spannung fähig. Alles, was die Räume des äußern u. innern Ohrs, wohin auch die Eustachische Röhre zu rechnen ist, verstopft od. sonst die Theile des Gehörorgans beeinträchtigt, erschwert u. hindert das G. (vgl. Taubheit). Das Öffnen des Mundes kann bei Schwerhörigkeit etwas das G. fördern, indem etwas mehr Schallstrahlen, auch unter Vermittlung des Gaumengewölbes, dem innern Ohre zugeleitet werden; auch befördert es in etwas die Spannung des äußern Ohrs. Da der Gehörgang sich erst in den früheren Jahren des Wachsthums trichtermäßig ausbildet, auch die Kopfknochen beim neugebornen Kinde noch sehr weich sind, so vernehmen diese nur starke Töne u. wenden auch herauswachsend nur starken u. gellenden Tönen ihre Aufmerksamkeit zu. Über die Unterschiede des durch das G. Vernehmbaren s. Schall, Ton, Klang. 2) das Anhören von Jemandes Anbringen; 3) (Jagdw.), beim Hochwild die Ohren.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 71-72.
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