Individualĭtät

[892] Individualĭtät (v. lat.), 1) eigentlich was von einem Dinge od. Wesen nicht abgetrennt werden kann, wenn es nicht in seiner Existenz als besonderes Wesen aufhören soll, dann überhaupt 2) das Sein eines Wesens, sofern es als ein von dem Sein anderer Wesen geschiedenes sich darstellt. In so fern das Wesen für sich besteht u. Integrität hat, ist es ein Individuum. Die I. umfaßt die allgemeinen u. besonderen Merkmale, die einem Wesen zukommen, jedoch nennt man die Summe der letzteren gewöhnlich die I. od. die Eigenthümlichkeit eines Wesens. Zunächst aber ist alles Individuelle nur eine Wahrnehmung u. verschwindet mit dieser. Hat das Wahrgenommene überhaupt den Charakter des Veränderlichen, so findet die Bezeichnung eines Individuums darauf keine Anwendung. Organismen haben in ihrer Organisation die Bedingungen ihrer I., u. bei ihnen fällt der Charakter der I. mit dem ihres Lebens zusammen; bei Nichtorganismen knüpft sich die Vorstellung der I. an den Charakter, der zunächst den Begriff eines Objects bildet u. an dessen Zweck. Die wichtigste I. ist die des Menschen, die von dem physischen u. ethischen Gesichtspunkte betrachtet werden kann. Da wir uns aber selbst nicht anders kennen, als in Verbindung eines geistigen Vermögens mit einem Körper von einer bestimmten Organisation; so ist es nur diese Verbindung des Geistigen u. Körperlichen, wie sie erfahrungsmäßig als nothwendig zum Bewußtsein erscheint, welche unsere I. ausmacht. Doch ist es im Leben nicht das Bewußtsein, was nothwendig zur Feststellung einer menschlichen I. erfordert wird; auch bei ruhendem Bewußtsein, im Embryonenzustande, im Schlafe, bei Ohnmachten, beim Scheintod, wird dem Körper ein individuelles Leben nicht abgesprochen. Die Kunst, das Ideale in dem Individuellen darzustellen,[892] heißt das Individualisiren. Dies ist Sache des Künstlers. Auch in der Redekunst wird das Individualisiren empfohlen, insofern der Redner die allgemeinen Ideen auf concrete Verhältnisse, specielle Ereignisse etc. anzuwenden hat.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 892-893.
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