Predigerseminar

[469] Predigerseminar, Anstalt, in welcher junge Männer, welche dem geistlichen Stand sich widmen, in der Pastoralwissenschaft unterrichtet u. in der Anwendung geübt werden. Nachdem die frühern geistlichen Bildungsanstalten durch das Aufblühen der Universitäten eingegangen waren, legte die Katholische Kirche bereits im 16. Jahrh. P-e an u. hielt in denselben auf eine fast klösterliche Zucht; die Evangelische Kirche, welche früher die Ausbildung ihrer Prediger den Universitäten überließ, hat in neuerer Zeit auch solche Bildungsanstalten der Prediger für die Praxis gegründet. Sie wurden zunächst auf Universitäten errichtet u. bestehen gegenwärtig in allen Universitätsstädten in der Weise, daß für die Theologen in ihren letzten Studienjahren praktische Übungen im Predigen u. Katechisiren vorgenommen werden. Einige haben Stipendien, Preise für ausgezeichnete Predigten, besondere Statuten etc. Aber auch außerhalb der Universitätsstädte gibt es P-e, an denen Candidaten des Predigtamts Theil nehmen, u. zwar sind es a) bes. gegründete Vereine, wo die Seminaristen auch andern Beschäftigungen sich widmen u. nur zur Bearbeitung u. Beurtheilung von Arbeiten aus dem Gebiet der praktischen Theologie (Predigt, Rede, Katechese) zu bestimmter Zeit zusammen kommen, so z.B. seit 1835 in Gotha u. Altenburg, im Königreich Sachsen[469] unter Leitung des Superintendenten neben den Predigervereinen. Dann aber auch b) eigentliche P-e, wo die Mitglieder in besonderen Anstalten u. nur für den Seminarzweck leben, wie in dem P. zu Herborn im Nassauischen, gegründet 1818, welches alle nassauische Candidaten nach einem zweijährigen Universitätscursus ein Jahr besuchen müssen; zu Wolfenbüttel in Braunschweig, gestiftet 1836, unter der Leitung der geistlichen Mitglieder des Consistoriums, mit welchen die Directoren des Schullehrerseminars lehren; dasselbe sollen zwölf Candidaten zwei Jahre nach einander besuchen u. zwar vor der Zeit ihrer voraussichtlichen Anstellung, sie bekommen einen Gehalt, wofür sie Schulunterricht ertheilen u. Predigergeschäfte besorgen müssen; in Friedberg in Hessen-Darmstadt, gestiftet 1837, soll von allen künftigen Candidaten besucht werden, wenn sie drei Jahre Theologie studirt u. das Examen zu Gießen bestanden haben; in Heidelberg für Baden, gestiftet 1838, worin alle Theologie Studierenden nach einem 21/2 jährigem Studium u. einer überstandenen Prüfung praktlich weiter ausgebildet werden; das Hospitium zu Loccum in Hannover, für 10 Mitglieder; es werden hier praktische Übungen u. theologische Studien getrieben; das P. in Hannover, gestiftet 1824, deren Mitglieder in praktischen Arbeiten geübt u. in theologischen Disciplinen unterrichtet werden; das P. in Wittenberg, im dasigen Augustinerkloster, 1817 gestiftet für 25 Candidaten, welche hier eine praktische u. zugleich höhere theologische Bildung erhalten, sie müssen das erste Staatsexamen bestanden u. eine höhere Censur bekommen haben. In Württemberg ist bes. das Tübinger Stift zu erwähnen; vgl. Rothe, Über P., 1838.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 469-470.
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