Corpulenz

[475] Corpulenz, ein dem Lateinischen entlehnter Ausdruck, ist gleichbedeutend mit Dick- und Fettleibigkeit und dem franz. embonpoint, ein Zustand des Körpers, bei welchem dieser in Folge übermäßiger Bildung und Anhäufung von Fett einen ungewöhnlich großen Umfang erhält. Häufig beschränkt sich eine solche außerordentliche Fettablagerung nur auf einzelne Theile des Körpers und namentlich sind ihr der Bauch, bei Frauen Brüste und Gesäß ausgesetzt. So lange indeß die Fettleibigkeit mäßig bleibt, stört sie Gesundheit und Wohlbefinden nicht und indem sie die eckige Form des Körpers angenehm rundet, sichert sie ihm länger ein jugendliches, kräftiges Ansehen, als es bei Hagern der Fall ist; erreicht sie dagegen einen sehr hohen Grad, tritt sie ungewöhnlich früh ein und beeinträchtigt sie die Verrichtungen des Körpers auf die eine oder andere Art, so wird sie zur Krankheit. In der Regel entwickelt sie sich erst in den vierziger und funfziger Jahren, ausnahmsweise aber auch viel früher, und Frauen sind ihr im Verhältniß mehr ausgesetzt als Männer. Auch Kinder sind im Allgemeinen in den ersten Lebensjahren, zumal wenn sie sehr lange gestillt worden sind und auch nach der Entwöhnung von der Mutterbrust noch eine reichliche Nahrung erhalten haben, sehr wohlheleibt, ja scheinen zuweilen wie mit Fett ausgepolstert und zeigen dann besonders an den Oberschenkeln wirkliche Fettwülste. Dergleichen Kinder sind jedoch häufig kurzathmig und lernen ihrer Unförmlichkeit und Unbeholfenheit halber schwerer und später laufen als andere, verlieren aber allmälig ihre übermäßige Fettheit, wenn sie anfangen zu wachsen und setzen erst nach vollendetem Wachsthume wieder Fett an, wo besonders das weibliche Geschlecht eine gewisse Wohlbeleibtheit erlangt. Ein kaltes, feuchtes Klima, wie z.B. das Hollands und überhaupt der nördl Länder Europas, angeborene oder erbliche Anlage, ein ruhiges Temperament, mehr sitzende, müßige und behagliche Lebensweise bei guter Kost und gutem Appetite, die Castration u.s.w. begünstigen das Fettwerden am meisten und man hat Beispiele, daß Menschen unter solchen Umständen ein Gewicht von 600–800 Pf. erreicht haben. So ließ sich namentlich 1806 ein gewisser Lambert in London sehen, der 704 Pf. wog, 51/2 Fuß Höhe und 9 F. 4 Zoll im Umfange maß. Solche Menschen leiden gewöhnlich an kurzem Athem, öfterm Blutandrange nach dem Kopfe, beständiger Neigung zum Schlafen, an schlechter Verdauung, an einer leicht begreiflichen Schwerfälligkeit der Bewegungen, werden leicht wassersüchtig, sind einem plötzlichen Tode mehr ausgesetzt als magere Personen und erreichen selten ein hohes Alter. Soll dem übermäßigen und lästigen Fettwerden Einhalt gethan werden, so muß bei Zeiten für Verminderung der gewöhnlichen Menge von Nahrungsmitteln, für wenig nährende Beschaffenheit derselben, Wassertrinken, viele körperliche Bewegung, Vermeidung langen Schlafens, säuerliche Getränke und gelegentliche Abführmittel gesorgt werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 475.
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