Corpus catholicorum

[475] Corpus catholicorum und Corpus evangelicorum hießen im ehemaligen deutschen Reiche die in Folge der Reformation entstandenen Gesammtheiten der katholischen und der evangelischen Reichsstände, von denen die letztere durch die katholische Ligue, an deren Spitze der Erzherzog Ferdinand von Östreich und der Herzog von Baiern standen, und durch die Nothwendigkeit hervorgerufen ward, sich vereint gegen die Angriffe des Papstes zu schützen. Sachsen und Hessen schlossen daher 1526 zum Schutz der neuen Lehre das torgauer Bündniß, dem sich Lüneburg, Mecklenburg, Anhalt, Mansfeld, die Stadt Magdeburg und die übrigen evangelischen Reichsstände nach und nach anschlossen. Indem sie hierauf 1529 wider die vom Reichstage zu Speier hinsichtlich der neuen Lehre gefaßten Beschlüsse protestirten (s. Protestanten), traten sie schon als Gesammtheit auf und schlossen als solche 1532 zu Nürnberg einen Vergleich mit den katholischen Reichsständen, welche dadurch veranlaßt wurden, ebenfalls eine Körperschaft zu bilden, deren Oberhaupt der Kurfürst von Mainz war. Die Leitung des evangelischen Corpus hatte anfangs Kursachsen, bis 1575 sich der evangelisch gewordene Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz derselben annahm; durch den dreißigjährigen Krieg kam sie in die Hand Gustav Adolf's, nachher in die seines Kanzlers Oxenstierna, und nachdem beim westfäl. Frieden beide Körperschaften anerkannt, auch bestimmt worden war, daß Stimmenmehrheit in Religionssachen nicht mehr gelten solle, erhielt 1653 Sachsen die Oberleitung von Neuem. Als Friedrich August I. wegen der poln. Krone zur katholischen Kirche übertrat, beauftragte er damit 1698 Herzog Friedrich II. von Gotha, dem das Geheimrathscollegium in Dresden hinsichtlich protestantischer Religionsangelegenheiten beigeordnet wurde. Selbst nachdem auch Friedrich August II. 1717 katholisch geworden, ließen die evangelischen Stände die Oberleitung bei Sachsen, das dieselbe seinen Gesandten übertrug, die jedoch stets evangelischen Glaubens sein mußten und vom geheimen Concilium in Dresden ihre Anweisungen erhielten, wobei es bis zur Auflösung des deutschen Reichs im J. 1806 verblieb.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 475-476.
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