Corpus evangelicōrum

[296] Corpus evangelicōrum (lat.), die geschlossene Körperschaft der protestantischen deutschen Reichsstände auf den Reichstagen, wenn die Verhandlungen Religions- und kirchliche Angelegenheiten betrafen. Ausdrücklich und regelmäßig geschah dies erst seit dem Westfälischen Frieden. Ihr Haupt war der Kurfürst von Sachsen und später der Kurfürst von der Pfalz, bis 1633 der schwedische Reichskanzler Oxenstierna die Leitung der Geschäfte übernahm. Durch den Westfälischen Frieden wurde sodann ausdrücklich festgesetzt, daß im Reichstag in kirchlichen Angelegenheiten nicht nach Stimmenmehrheit entschieden, sondern zwischen protestantischen und katholischen Ständen als zwischen zwei besondern, gleichberechtigten Korporationen auf gütliche Weise verfahren werden sollte. Bei der ersten Sitzung und eigentlichen Konstituierung des C. e. 22. Juli 1653, auf dem Reichstag zu Regensburg, erhielt Kursachsen wieder das Direktorium. Da das C. e. durch den Westfälischen Frieden als besondere Körperschaft eingesetzt war, stand ihm das Recht zu, Versammlungen zu halten, Beschlüsse zu fassen und Vorstellungen an den Kaiser zu richten; doch fruchteten dessen Vorstellungen zugunsten der Protestanten meist weniger als die Drohungen der mächtigern protestantischen Reichsstände. Seit 1770 bestanden zwei ständige Deputationen, die eine zur Untersuchung der Religionsbeschwerden, die andre zur Aufnahme der sechs dem C. e. zugehörenden Kassen. 1806 ging das C. e. zugleich mit der deutschen Reichsverfassung zu Grabe. Vgl. Frantz, Das katholische Direktorium des C. e. (Marb. 1880). Vgl. auch Jus eundi in partes.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 296.
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