Kolik

[632] Kolik wird ein heftiger, periodisch wiederkehrender Schmerz im Unterleibe genannt, der seinen Sitz bald in den dünnen, engen, bald in den dicken, weiten Gedärmen hat, bald plötzlich, bald nach vorgängigem Appetitmangel, Gefühl von Völle in der Magengrube, Stuhlverhaltung oder Durchfall entsteht, stechend, schneidend oder zusammenschnürend ist, von einer Stelle zur andern wandert, und nicht blos als begleitende Erscheinung einer andern Krankheit auftritt. Als selbständige [632] Übel, als wirkliche Koliken können nur betrachtet werden die Krampfkolik, die Wind- oder Blähungskolik, die Bleikolik und die Kolik von Poitou. Die Krampfkolik beobachtet man vorzüglich bei nervenschwachen und nervenkranken Personen, namentlich solchen, die an Hysterie oder Hypochondrie leiden, mehr beim weiblichen als männlichen Geschlecht. Sie entsteht nach Gemüthsbewegungen, Erkältung der Füße und ist in der Regel mit sehr heftigen Schmerzen verbunden, die plötzlich einzutreten, plötzlich zu verschwinden und ebenso plötzlich zurückzukehren pflegen, wobei Zeichen von Unterleibsentzündung und Verdauungsstörungen fehlen, die Bauchdecken sehr empfindlich, die Haut trocken und kühl, der Harn wässerig, die Stuhlausleerungen oft träge sind. Die Wind- oder Blähungskolik charakterisirt sich durch kneipende, spannende Schmerzen, die von einer Stelle des Unterleibes zur andern ziehen (wobei dieser bald hier bald da anschwillt, sich jedoch gegen Druck unempfindlich zeigt), zu unbestimmten Zeiten nachlassen und wieder schlimmer werden, durch lautes Poltern und Kollern im Leibe, Abgang von Blähungen mit dem Gefühle von Erleichterung, und befällt am häufigsten nach Überladungen des Magens, insbesondere nach dem Genusse blähender Speisen und Getränke, Personen von ohnehin schon schwacher Verdauung und einer eignen Geneigtheit zur Entwickelung von Blähungen. Die Bleikolik oder Malerkolik kommt bei Leuten vor, die vermöge ihres Geschäfts viel mit Blei umgehen müssen, darum am gewöhnlichsten bei Berg- und Hüttenleuten, Arbeitern in Bleiweißfabriken, Farbenreibern, Malern, Anstreichern, Schrift- und Zinngießern, Töpfern, aber auch überhaupt nach dem Genusse von Speisen und Getränken, denen sich bei Aufbewahrung in schlecht glasirten, zinnernen oder verzinnten Geschirren Blei zugemischt hat oder denen es, wie namentlich bei Verfälschung mancher weißen Weine, absichtlich zugesetzt worden ist. Sie stellt sich öfter allmälig als plötzlich ein, nachdem ihr ekelhaft süßlicher Geschmack im Munde, Mangel an Eßlust, Magendrücken, Aufstoßen und Erbrechen vorausgegangen sind und gibt sich durch immer schmerzhafter werdende Zusammenschnürung des Unterleibes, schmerzhafte Spannung der Bauchmuskeln, Einwärtsziehen des Nabels und Afters, meistens trägen, trockenen Stuhlgang, beschwerlichen Urinabgang, großen Durst, mitunter mehr oder weniger behindertes Athemholen, ziehende, spannende Schmerzen in Füßen und Händen mit nachfolgender Lähmung dieser Theile u.s.w. zu erkennen. Die Bleikolik gehört immer zu den bedenklichern Krankheitszuständen, denn endet sie nicht unter Eintritt reichlicher flüssiger Stuhlausleerungen und Feuchtwerden der Haut mit Genesung, so geht sie leicht in allgemeine Abzehrung über. Die sogenannte Cyderkolik oder Kolik von Poitou beobachtet man nur in Gegenden, in denen viel Äpfelwein (Cyder), Most oder junge, säuerliche Weine getrunken werden, und zeichnet sich durch im Leibe schnell herumschießende, oft einige Stunden anhaltende, dann ebenso lange aussetzende Schmerzen, Druck in der Herzgrube, Sodbrennen, säuerliches Aufstoßen Erbrechen säuerlichen Schleimes und Gelbsucht aus.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 632-633.
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