Lafontaine [1]

[689] Lafontaine (Jean de), der berühmte Fabeldichter der Franzosen, der wegen der Güte seines Herzens den Beinamen le bon homme (d.h. der gute Mann) erhalten hat, wurde 1621 in der Champagne geboren und wollte sich dem geistlichen Stande widmen, welchen Plan er jedoch bald wieder aufgab. Zufällig machte er die Bekanntschaft der Gedichte Malesherbes' und wurde durch dieselben veranlaßt, sich [689] eine genauere Kenntniß der Literatur zu verschaffen. Sein Vater verschaffte ihm eine Anstellung und eine Frau, welche L. jedoch verließ, um sich nach Paris zu begeben. Hier fand er durch sein poetisches Talent Freunde und Gönner und erhielt bald eine Pension. Indeß wußte sich L. so wenig in das bürgerliche Leben zu finden, daß er fortwährend in Verlegenheiten schwebte, aus welchen ihn endlich Frau von Sablière zog, indem sie ihn in ihr Haus aufnahm und für ihn sorgte. Im J. 1684 wurde er Mitglied der Akademie. L. ließ sich in allen Dingen leiten wie ein Kind, hatte alle Vorzüge des kindlichen Gemüths, aber auch alle Unvollkommenheiten desselben und lebte bis kurz vor seinem Tode in unbefangenem Leichtsinn hin. Auf die Vorstellungen eines Geistlichen war er die letzten Jahre seines Lebens eifrig für sein Seelenheil besorgt, bis er 1695 starb. Die Kindlichkeit und Naivetät, welche in seinen »Erzählungen« und »Fabeln« herrscht, die Gewandtheit der Sprache, der geistreiche Anstrich sind die Hauptvorzüge seiner Poesie. Viele seiner Erzählungen sind schlüpfrig, ohne jedoch gemein zu sein, und charakterisiren den Geschmack seiner Zeit. Den Stoff zu seinen poetischen Darstellungen hat L. stets entlehnt, nie selbständig geschaffen. Catel hat seine Fabeln ins Deutsche übersetzt (4 Bde., Berl. 1791–94). Die beste Ausgabe seiner sämmtlichen Werke in franz. Sprache mit 147 Kupfern besorgte Valckenaer (neueste Aufl., 6 Bde., Paris 1822–23).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 689-690.
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