Merlin

[118] Merlin, der in den Romanen von der Tafelrunde (s.d.) als Freund und Rathgeber des Königs Artus eine wichtige Rolle spielt und darin meist als Greis mit weißem Barte geschildert wird, welcher in Wäldern einsam lebt und nur in wichtigen Zeiten zum Könige kommt, wird von der Sage für den Sohn eines Dämon und der Tochter eines engl. Königs ausgegeben und soll im 5. Jahrh. zu Carmarthen geboren worden sein. Von seinem Vater in alle Wissenschaften und Zauberkünste eingeweiht, erhielt er den Beinamen Ambrosius der Zauberer und soll viel Wunderbares vollbracht haben, weshalb M. bei den engl. Königen Vortigern, Ambrosius, Uther-Pendragon und Artus in hohen Ehren stand. Mit Vortigern kam er zuerst in Berührung, als derselbe auf den Rath seiner Magier einen festen Thurm zum Schutze gegen die Sachsen bauen lassen wollte, der dazu gelegte Grund aber in einer Nacht von der Erde verschlungen worden war. Durch das Blut eines ohne Vater geborenen Kindes sollte die Wiederholung dieses Unfalls verhindert werden und M. ward als solches zum Könige gebracht, dem er aber verkündete, daß unter dem beabsichtigten Bau ein See liege und unter diesem ein rother und ein weißer Drache, welche den Thurm verschlängen. Man grub deshalb nach und fand angeblich die Drachen, welche miteinander kämpften, bis der weiße, der die Sachsen bedeutete, den rothen überwand, welcher die Engländer vorstellte; M. sah ihnen mit Thränen zu und weissagte dabei von Englands Zukunft. Unter seine spätern Wunderwerke wird die Versetzung von Felsen aus Irland nach England und ihre Verwandlung in tanzende Riesen gezählt; auch soll er dem Könige Uther-Pendragon die Gestalt des Gatten der schönen Ingerne verliehen haben, in welche jener sich verliebte und mit ihr den von M. erzogenen, nachherigen König Artus zeugte. Den Verfolgungen der Sachsen entzog sich M. einst auf einem gläsernen Schiffe und starb endlich auf der Insel Bardsey. Die Sage von M. und seine Prophezeiungen sind fast in alle europ. Sprachen übersetzt und deutsch in F. Schlegel's »Sammlung romantischer Dichtungen« (Bd. 5) bearbeitet worden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 118.
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