Drache

Drache
Drache

[588] Drache. Diesen seit den ältesten Zeiten gefürchteten Namen führen jetzt die harmlosen, hier abgebildeten Eidechsen, welche in Ostindien zu Hause sind, wenig über einen Fuß lang werden, sich nur von Insekten nähren und von allen ihren Gattungsverwandten durch die ihnen eigenthümliche Art häutiger Flügel unterscheiden, mittels deren sie jedoch nicht eigentlich fliegen, sondern nur von einem nahen Baume zum andern und von Ast zu Ast flattern können.

Sie sind über und über mit kleinen dachziegelartigen Schuppen bedeckt, haben an der Kehle einen langen, zugespitzten Sack und sind schön grün, himmelblau und perlgrau, die fächerartig zusammengefalteten Flügel meist braun und weiß gefärbt. Ihr Gang ist schwerfällig und langsam, daher verlassen sie nur selten die Bäume, wo sie auch in die der Sonne ausgesetzten Höhlungen ihre Eier legen. Denkt man sich diese kleinen Thiere einige hundert Mal vergrößert, so würden sie Ähnlichkeit mit jenem fabelhaften Drachen haben, welchen die Einbildungskraft seit. den ältesten Zeiten so grausenerregend als möglich schilderte. Seine Heimat sollte vornehmlich Afrika und das früher sehr unbekannte östl. Asien [588] sein, bei dessen Bewohnern der Drache noch eine wichtige Rolle spielt, indem er z.B. das Wappen der Mongolen, Mandschu und Chinesen ist und häufig als Verzierung angebracht wird; auch verbinden sie damit die Idee des Außerordentlichen und Erhabenen, rühmen z.B. an ihren Weisen etwas Drachenartiges und nennen den Donner die Stimme des Drachen. Die Chinesen insbesondere heißen ihn Lung und den König aller geschuppten Thiere; sie schildern ihn mit einem Hirschgeweih, mit Ochsenohren, einem Kameelkopfe, einem Schlangenhalse, mit den Schuppen der Fische, den Tatzen des Tigers, den Klauen des Adlers und schreiben ihm die Fähigkeit zu, sich lang und kurz machen und zahllose Male verwandeln zu können. Im Frühlinge soll er sich gen Himmel erheben, im Herbste aber auf den Grund des Meeres versenken. Andere schildern ihn nicht minder unförmlich mit zwei Füßen, Fledermausflügeln, einem ungeheuern schuppigen Schlangenleibe und oft mit mehren Köpfen. Auch den Hercules (s.d.) läßt die Sage einen nie schlafenden Drachen mit 100 Köpfen tödten, um die goldenen, der Venus heiligen Äpfel aus den Gärten der Hesperiden holen zu können. Alle diese Erzählungen stimmen übrigens nur in der im Allgemeinen gräßlichen Gestalt, in der außerordentlichen Kraft und dem Blutdurste überein, welche sie den Drachen zuschreiben; dessenungeachtet aber reden alte Schriftsteller auch davon, daß solche Thiere gefangen und gezähmt worden, was also doch vermuthen läßt, daß ein vorhandenes Thier, vielleicht die Riesenschlange, die erste Veranlassung dazu gab. Noch im Mittelalter war der Drache nicht vergessen und man stattete ihn mit Löwenfüßen, Fledermausflügeln, einem ungeheuern feuerspeienden Rachen und langem Schlangenschwanze aus, und manche Sage feiert, gleich der von Schiller in seinem »Kampf mit dem Drachen« bearbeiteten, die Ritter, welche solche Unthiere besiegten, unter denen wir uns wahrscheinlich Krokodile zu denken haben, von denen die von den Kreuzzügen und Wallfahrten ins gelobte Land Heimkehrenden übertriebene Nachrichten verbreiteten.

Jetzt nennt der Aberglaube noch hier und da kleine, von Feuerkugeln nicht verschiedene Lufterscheinungen den Drachen und sieht darin irgend einen bösen Geist, der aber Denen, so es mit ihm halten, Geld, Speck und dergl. durch den Schornstein zutrage. Ferner führt ein Sternbild am nördl. Himmel denselben Namen und die Fabel sieht darin jenen vom Hercules getödteten Wächter der Hesperidenäpfel; in der Mitte des Schwanzes desselben ist aber der mit α (dem griech. Buchstaben Alpha) bezeichnete Stern als derjenige merkwürdig, welcher vor 4600 Jahren der Polarstern (s. Pol) war. Bekannt ist der Drache als ein Spielwerk der Kinder, das aus einem leichten Holzgestelle mit einem Papierüberzüge besteht und das ein mäßiger Wind, dem seine Fläche schräg ausgesetzt wird, in die Lüfte steigen macht. Die Richtung, welche der Drache dabei verfolgt, beruht auf dem Zusammenwirken verschiedener Kräfte; weht z.B. der Wind aus W., so würde der Drache, ohne zu steigen, fortgeweht werden, wenn nicht dadurch, daß er dem Winde eine schräge Fläche entgegenstellt, dessen Wirkung getheilt und eine aus Y wirkende Kraft gebildet würde, die den Drachen nach O A fortzutreiben sucht. Nun wird er aber zugleich von der Schnur S T nach P gezogen und folgt daher weder der einen noch der andern, sondern der durch die Diagonale des Parallelogramus A B T O bezeichneten mittlern Richtung O B.

Dieses Spielwerk benutzte Franklin (s.d.) 1752 zuerst, um damit Elektricität aus den höhern Luftgegenden herabzuleiten; er versah deshalb den Drachen mit einer metallenen Spitze und befestigte unten an den Bindfaden, mit dem der Drache stieg, einen Schlüssel, sowie eine seidene Schnur, um den Bindfaden festhalten zu können, ohne die elektrische Materie abzuleiten, was die Seide verhindert. Schwebt nun der in dieser Gestalt von seiner Bestimmung sogenannte elektrische Drache in der Luft, sodaß er den Schlüssel trägt, und bringt man dem letztern Elektricitätsmesser oder andere elektrische Apparate nahe, so werden die elektrischen Zustände der hohen Gegenden der Luft dadurch bemerklich und man kann dadurch selbst Elektricität herableiten. Die Leitung wird noch vollständiger, wenn ein dünner Metallfaden in den Bindfaden eingedreht wird. Man hat ferner den Papierdrachen angewendet, um bei günstigem Winde von einem gestrandeten Schiffe ein Seil nach einer felsigen Küste zu bringen und dadurch eine Verbindung mit dem Lande herzustellen, und aus in England angestellten Versuchen hat sich die Möglichkeit ergeben, einen Wagen von zwei Papierdrachen mittels des Windes fortziehen zu lassen. – Drachenblut heißt der Saft verschiedener ostind. Früchte und Bäume, der eingekocht und getrocknet, die beste Sorte in dünnen, etwa einen Fuß langen Stangen, die schlechtere in Scheiben und Kuchen in den Handel gebracht wird. Es sieht braunroth aus, löst sich in Weingeist, Äther und ätherischen Ölen mit schön hochrother Farbe auf und dient jetzt fast blos zur Färbung von Firnissen und Beizen; früher ward es innerlich und äußerlich als Heilmittel gegen Blutungen, Durchfall u.s.w. verwendet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 588-589.
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