Pesth

[458] Pesth, die schönste, volkreichste und betriebsamste Stadt des. Königreichs Ungarn, liegt Ofen (s.d.) gegenüber am östl. Donauufer auf einer sandigen und niedrigen Fläche, hat gegen drei Stunden im Umfange und mit Einschluß des Militairs über 70,000 Einw., welche sich, mit Ausnahme von 3200 Protestanten und Reformirten, 900 griech. Christen und 5000 Israeliten, zur röm.-katholischen Kirche bekennen und deutsch, ungarisch, slawisch, illyrisch, neugriechisch reden; im Mittelstande ist jedoch das Deutsche herrschend, da die Bevölkerung viel eingewanderte und einheimische Deutsche zählt, und im amtlichen Verkehr gilt das Lateinische. P. besteht aus fünf Haupttheilen: aus der innern Stadt, der Leopold- oder neuen Stadt, Theresienstadt, Josephstadt und Franzstadt, ist zum Theil weitläufig gebaut und umschließt große Hofräume und Gärten und viele auf ein Erdgeschoß beschränkte Häuser, allein auch eine Menge schöner und ansehnlicher Privat- und öffentlicher Gebäude. Zu den vornehmsten der letzten gehören: die unter Karl VI. aufgeführte große Grenadiercaserne mit vier großen Höfen und einer Kirche; das Josephinische oder Neugebäude, welches noch umfänglicher ist und als Caserne und Hauptdepot von Geschütz und Munition für Ungarn benutzt wird; das großartige Theater; das Comitatshaus; die Kirche und die Gebäude der Universität, welche 1784 von Ofen hierher verlegt wurde, wo sie auch 1465 von Matthias Corvinus gestiftet, während der Türkenkriege jedoch nach Tyrnau verlegt worden war. Es befinden sich hier das ungar. Nationalmuseum, welches der verstorbene Graf Széchényi durch die Schenkung seiner großen Bibliothek und ungar. Münzsammlung begründete, und die höchsten Gerichtshöfe: die Septemviral- und die königl. Tafel, haben hier ihren Sitz, sowie die Comitatsbehörde der vereinten pesther, piliser und solther Gespanschaft; Hospitäler und Wohlthätigkeitsanstalten sind zahlreich vorhanden. Zu den wichtigern Nahrungsquellen P.'s gehören die Seidenfabriken und Gerbereien, alle aber übertrifft der Handel, in welchem P., wo jährlich auch vier große Märkte gehalten werden, unter den Donaustädten blos Wien nachsteht. In der Nähe von P. liegt das Râkoser Feld, wo vordem die Reichstage unter freiem Himmel gehalten wurden, und der Steinbruch, ein Sandsteingebirge, welches seit 1724 mit Wein bepflanzt ist und den sogenannten Steinbrucher liefert, welcher in Farbe und Geschmack den Rhein- und Frankenweinen ähnlich ist. Die für den Verkehr ungemein günstige Lage von P. hatte schon die Römer veranlaßt, in dieser Gegend eine Niederlassung zu gründen und im 13. Jahrh. fanden hier die eindringenden Mongolen eine volkreiche, meist von Deutschen bewohnte Stadt zu verheeren. Nachher allmälig wieder emporgekommen, gerieth es 1526 unter die Botmäßigkeit der Osmanen und ging während derselben fast ganz zu Grunde, nahm jedoch nach der 1686 erfolgten Rückkehr unter christliche Könige, durch neue, auch viele deutsche Ansiedler einen Aufschwung zu neuer Blüte. Karl VI. und noch mehr Joseph II. beförderten dieselbe nachdrücklich, verschönten die Stadt durch wichtige öffentliche Gebäude und das Gedeihen derselben war noch im Zunehmen, als im März 1838 beim Eisgange der Donau und kurz vor dem wichtigsten Markte im Jahre, P. plötzlich von einer verheerenden Überschwemmung heimgesucht wurde. Die Flut durchbrach die Dämme, setzte einen großen Theil der Stadt mehre Fuß hoch unter Wasser und richtete an Waaren und Gebäuden, deren manche durch Wegspülen des Grundes einstürzten, ungeheuren Schaden an. Gleich außerordentlich war aber auch die von allen Seiten und vom In-und Auslande gewährte Beihülfe in dieser Noth, gegen deren Wiederkehr zugleich wirksamere Schutzwehren errichtet worden sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 458.
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