Phönizien

[491] Phönizien hieß im Alterthum ein schmales Küstenland am mittelländ. Meere und jetzt zu Syrien gehörig, welches etwa 26 M. lang und 3–4 M. breit war, gegen O. hauptsächlich vom Libanon begrenzt wurde und von der Stadt Arados auf der jetzigen Insel Ruad im N. sich bis südl. vom Berge Karmel ausdehnte. Der schmale Landstrich am Fuße des waldreichen Libanon war fleißig angebaut, auch [491] sollen Palmen dort häufig gewesen sein und die Griechen davon dem Lande und seinen Bewohnern, den Phöniziern, ihre Namen gegeben haben. Dieses merkwürdige Volk wanderte wahrscheinlich aus den Ländern am pers. oder arab. Meerbusen in diese Gegenden ein und war mit Fischerei und Schiffahrt und mancherlei Künsten und Gewerben entweder schon vertraut oder wurde es hier, wo der wenige urbare Boden bald andere Erwerbsquellen wie Ackerbau und Viehzucht aufzusuchen drängte. So wurden denn die Phönizier ein seefahrendes und auf lange Zeit das wichtigste Handelsvolk der alten Welt, das nach und nach Niederlassungen an allen Küsten des Mittelmeeres gründete, aus denen zum Theil mächtige und unabhängige Staaten hervorgingen, wie Karthago (s.d.) an der Nordküste von Afrika, wo sie Utica schon 1170 v. Chr. stifteten. Um 1000 v. Chr. war die Seefahrt nach den südl. Küsten des damals silberreichen Spaniens, wo sie die Pflanzstädte Tartessus und Gades (Cadix) anlegten, gewöhnlich, und sich immer weiter wagend, gelangten die Phönizier endlich nach England, wo sie Zinn holten, und sollen auch die Ostsee besucht und von da den Bernstein gebracht haben. Sie verführten die ihnen aus dem Innern von Asien und Afrika durch Karavanen gelieferten Waaren, sowie die Erzeugnisse ihres Kunstfleißes, denn schon vor Homer verstanden sie Wolle zu verarbeiten und schön zu färben, namentlich in Purpur, sowie kunstreiche Arbeiten in Metall zu verfertigen; auch das Glasmachen hatten sie erfunden und der erste Gebrauch einer Buchstabenschrift ward ihnen von den Alten beigelegt; sie hatten Ruder und Segel und richteten sich zur See bei Nacht nach den Gestirnen. Ihre wichtigste Seereise würde die angeblich um 600 v. Chr. vom arab. Meerbusen aus unternommene Umschiffung von Afrika gewesen sein, wenn dieselbe nicht ungewiß wäre. Was die bürgerliche Verfassung der Phönizier selbst anlangt, so waren sie nie zu einem Staate vereinigt, sondern der kleine Raum P.'s enthielt eine Anzahl wichtiger, voneinander unabhängiger Städte, von denen jede ein Gebiet an der Küste hatte und die untereinander verbündet waren. Die älteste derselben war Sidon (jetzt Saëd); außerdem waren besonders berühmt Tyrus, das später emporgekommene Arados, Byblos (jetzt Dschibili), Ako und Berytus (Beiruth). Die Regierungsform scheint theils monarchisch, theils republikanisch gewesen zu sein, indem sowol Könige als eine Art Richter oder Consuln, die Suffeten, erwähnt werden. Ihre Unabhängigkeit verloren sie zuerst durch Nebukadnezar, dem sich alle phöniz. Städte und auch Tyrus nach 13jähriger Belagerung unterwerfen mußten. Die reichsten Bewohner der letztern waren zum Theil nach einer benachbarten Insel geflohen, wo sie ein neues Tyrus erbauten, welches nun der wichtigste Handelsplatz wurde, später jedoch die pers. Oberherrlichkeit anerkannte. Da es Alexander dem Großen zu gehorchen verweigerte, wurde es von ihm nach einer blutigen Belagerung von sieben Monaten und nachdem er einen Damm nach der Insel hinüber hatte erbauen lassen, erobert und zerstört. Zwar bevölkerte sich der Ort nachher von Neuem, konnte aber keine Bedeutung mehr erlangen, weil aller Handel sich nach Alexandrien gezogen hatte. Nach dem Tode Alexander's gehörte P. zu dem von Seleukus Nicator gestifteten Reiche Syrien, kam 65 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer und theilte das Schicksal von Syrien (s.d.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 491-492.
Lizenz:
Faksimiles:
491 | 492
Kategorien: