Regalien

[649] Regalien nennt man im Allgemeinen die mit der Staatshoheit verbundenen Rechte, besonders aber diejenigen, welche einen Ertrag abwerfen. Der Name schreibt sich vom deutschen König Friedrich I. her, welcher nach Eroberung der Stadt Mailand im J. 1158 einigen röm. Rechtsgelehrten zu Bologna auftrug, zu untersuchen, welche Rechte ihm als Kaiser und König in Italien zuständen. Ihr Ausspruch ging in den 66. Titel des zweiten Buches des im Corpus juris befindlichen [649] Liber feudorum über, welcher mit dem Worte: Regaliae beginnt. Die meisten Regalien sind nichts Anderes als grundherrliche, auf ein ganzes Staatsgebiet ausgedehnte Bannrechte. In einer Zeit, in welcher der Stärkere meistentheils Recht behielt, die Principien eines vernünftigen Rechts noch keine Geltung erlangt hatten und die Rechtsgelehrten sich zu willigen Werkzeugen der Gewalt gebrauchen ließen, wurde eine solche Ausdehnung nicht schwer. Man benutzte die Regalien als Finanzquelle, um dadurch das Auflegen neuer Steuern zu umgehen, deren Bewilligung auf Gegenleistung, also mit Regierungspflichten verknüpft ist. Weit bequemer mußte es erscheinen, die Abgaben als nutzbringende Rechte des Obereigenthums und für von den Unterthanen als Grundholden übernommene Lasten anzusehen. Nur im Nothfall nahm man daher, zumal wo einiger Unabhängigkeitssinn in den Ständen und Parlamenten wohnte, zu Steuerfoderungen seine Zuflucht und suchte dafür durch möglichste Ausbeutung der Regalien den Aufwand zu decken. Allein auch die schlechteste Art, Steuern zu erheben, ist für das Volk weniger drückend als solche Lähmungen des Verkehrs und des Gewerbsbetriebes. Während die meisten Regalien als eine Art von Domainenbenutzung oder Besteuerung erscheinen, gibt es jedoch auch einige, welche wahre Hoheitsrechte sind, aber auch zum größten Nachtheile der Nationalwohlfahrt als Finanzquelle benutzt werden können, wie die Justiz- und Policeihoheit. – Seit der Auflösung des deutschen Reichs gibt es eigentlich keine durch ganz Deutschland geltende Regalien mehr, doch trifft man noch jetzt viele davon in allen deutschen Ländern gleichförmig an. Zu den am häufigsten vorkommenden gehört: das Bergregal, welches man auf die juristische Fiction stützt, daß der Staat blos die Oberfläche seines Gebiets ins Privateigenthum habe übergehen lassen, alle tiefer liegenden Schätze der Erde aber sich selbst vorbehalte. Will man die Regalität der Fossilien vom Standpunkte der policeilichen oder staatswirthschaftlichen Sorgfalt für das Vorhandensein eines hinreichenden Vorraths von den für den Staat und für die Bürger gleichnothwendigen Metallen und Mineralien herleiten, so darf die Betreibung nicht auf unmittelbaren Gewinn gerichtet, sondern muß blos subsidiarisch sein, für den Fall, daß die Privaten auf ihrem Grund und Boden diesen Erwerbszweig zu cultiviren versäumten, auch müßte dann der Überschuß des Ertrags diesen überlassen oder ihnen der Grund und Boden abgekauft werden. In letzterm Fall würde das Bergregal zur Domaine, was auch schon der Fall ist, wenn es auf Domanialgütern betrieben wird. Das Salzregal wird zu einer Salzsteuer, wenn der Staat es als Monopol ausübt und sich mehr zahlen läßt, als die Betriebskosten betragen. Läßt er aber die Concurrenz von Privatbesitzern von Salinen oder von ausländischen Salzen zu, so läßt sich auch ein reiner Gewinn davon rechtfertigen. Das Flußregal wird in der Regel nur von größern Flüssen behauptet und begreift unter sich das Fischerei-, Flöß-, Mühlenregal und mehre weniger häufige Benutzungsarten der Flüsse. Das Jagdregal im ganzen Umfange des Staatsgebiets ist eine der traurigsten Erfindungen kriechender Juristen und seine Ausübung hat zu dem empörendsten Druck der Unterthanen geführt. (S. Jagd.) Landstraßen und Brücken, deren Regalität ebenfalls behauptet wird, sind Gesammteigenthum des Staates und dem gemeinsamen Gebrauche gewidmet. Es hat der Staat wol das policeiliche Regal, sie zu bauen und zu erhalten, sowie Ströme und Flüsse schiffbar zu machen, auch kann er sich die dafür und für ihre Unterhaltung aufgewendeten Kosten durch Weg- und Brückengeld oder Zoll wiedererstatten lassen; nimmt er aber ein Mehres, so schreibt er eine Steuer aus, welche wider das strenge Recht und die staatswirthschaftliche Politik verstößt. Zur offenbarsten Ungerechtigkeit wird aber das sogenannte Geleitsregal, welches Bezahlung für Dienste fodert, die längst nicht mehr geleistet werden. Das Zehentregal erscheint als eine höchst verwerfliche Besteuerungsart und der sogenannte Neubruchszehent als eine widersinnige Bestrafung der Urbarmachung bisher öder Flächen. Auch das Postregal, mit dem Monopole der Briefbestellung verknüpft, wird von vielen der neuern Staatswissenschaftslehrer verworfen. Das Münzregal ist ein policeiliches Recht, für die so wichtige Ächtheit der Münzen durch eigenes Prägen derselben zu sorgen, wird es aber als Finanzquelle benutzt, so geschieht das nur mittels Verschlechterung der Münze gegen ihren Nennwerth. Das Tabacksregal erscheint als ein Eingriff des Staates in das Erwerbsrecht der Bürger, dessen Beförderung statt dessen sein Zweck sein sollte. Mit demselben Rechte könnte auch Wein-und Fruchtbau oder Handel, ja Spinnen und Weben und jede Art der Erzeugung und Wirthschaft vom Staate ausschließend betrieben werden. Selbst ohne Ausschließung sollte der Staat kein Gewerbe treiben und damit, was seinem Zwecke ganz fremd ist und seiner Würde nicht entspricht, als Concurrent seiner Angehörigen auftreten. Ihrer Geringfügigkeit wegen der Würde der Regierung noch weniger angemessen sind die Regalien des Lumpen- und Ascheusammelns, des Kaminfegens, des Scherenschleifens u.s.w. Sie sind auch fast überall abgekommen, sowie auch das empörende Strandrecht (s.d.) zur Ehre der Civilisation endlich als überlebt zu betrachten ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 649-650.
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