Seume

[172] Seume (Joh. Gottlieb), ein bekannter deutscher Schriftsteller, wurde 1763 zu Poserne bei Weißenfels geboren, als Sohn eines Bauers. Der Graf Hohenthal-Knauthain ließ ihn unterrichten und studiren. Er wollte Theolog werden, gerieth aber in Zerwürfniß mit sich selbst und ging nach Paris. Auf dem Wege dahin ließ er sich von Werbern für Amerika bereden, Dienste zu nehmen. Er kam mit den hess. Truppen nach Canada, machte hier den Krieg mit und kehrte endlich nach Deutschland zurück. Um nicht an die Preußen verkauft zu werden, entlief er in Bremen, konnte jedoch seinem Schicksal nicht entgehen. Er gerieth unter preuß. Werber und mußte in Emden als gemeiner Soldat dienen. Zweimal wagte er es zu desertiren, zweimal wurde er eingeholt und wäre mit dem Tode bestraft worden, wenn man sich nicht mit den dringendsten Bitten für ihn verwendet hätte. Es gelang ihm endlich, dem Dienste als Soldat sich doch noch zu entziehen. Er erhielt nämlich Urlaub, nachdem sich ein emdener Bürger mit 80 Thlr. für ihn verbürgt hatte, reiste nach Leipzig und kehrte nicht wieder nach Emden zurück, sondern bezahlte jenes Geld dem braven Manne, der ihm zur Freiheit verholfen hatte, von dem Honorar zurück, welches er für die (1788 erschienene) Übersetzung des engl. Romans »Honorie Warren« erhielt. Er war hierauf einige Zeit als Secretair in Diensten des russ. Generals Igelström, der mit Leitung der poln. Angelegenheiten beauftragt war. Mit demselben kam er 1793 nach Warschau, wurde Offizier bei den Grenadieren und fiel in der darauf folgenden Revolution in poln. Gefangenschaft. Nach seiner Freilassung kehrte er nach Leipzig zurück, gab hier 1796 und 1797 mehre Schriften heraus, lebte einige Zeit in Grimma als Corrector in der Göschen'schen Druckerei und trat 1801, nachdem kurz vorher seine Gedichte erschienen waren, eine Fußreise an, auf welcher er Östreich, Italien, Sicilien, die Schweiz und Frankreich besuchte. Nach neun Monaten war er wieder in Leipzig, und gab nun seinen »Spaziergang nach Syrakus« heraus. Im J. 1805 reiste er ebenso gegen Norden nach Petersburg, Moskau, durch Finnland nach Schweden und gab »Mein Sommer im J. 1805« heraus. Er starb nach schweren Leiden 1810 zu Teplitz, wo er durch Bäder seine Gesundheit herzustellen hoffte. S. ist als Schriftsteller merkwürdig durch die eigenthümliche Ausbildung seines Charakters, welche eine Folge seiner seltsamen Schicksale war. In sich gekehrt, waren ihm die Freuden der Welt kein Bedürfniß und menschliche Verhältnisse sah er, wenn auch nicht feindlich, doch mit einem Anfluge von Verachtung an. In der Vorrede zu »Mein Sommer im J. 1805« spricht sich ein glühender Eifer für Vaterland und Freiheit aus. Er selbst begann seine Biographie zu schreiben, welche Clodius (Lpz. 1813) beendete. Seine Phantasie ist kräftig, aber sein Styl mangelhaft und an künstlerischer Durchbildung fehlt es seinen Werken durchaus.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 172.
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