Seume

[914] Seume, Johann Gottfried, geb. 29. Jan. 1763 in Poserna bei Weißenfels, wo sein Vater ein Bauer war; nachdem derselbe seine Besitzung dort verkauft hatte, übernahm er eine Pachtung in Knautkleeberg bei Leipzig u. st. 1775; nun nahm sich der Graf von Hohenthal-Knauthayn des jungen S. an, welcher erst die Schule in Borna unter Korbinski, dann die Nikolaischule in Leipzig besuchte u. hierauf Theologie zu studiren begann, da ihm aber dieses Studium nicht zusagte, so verließ er heimlich Leipzig in der Absicht nach Paris u. dann nach Metz auf die Artillerieschule zu gehen, fiel aber in Vach hessischen Werbern in die Hände u. wurde nach Amerika eingeschifft, um in Canada für England zu fechten. Dort wurde er Sergeant u. machte v. Münchhausens Bekanntschaft. Nach dem Frieden kehrte er 1783 nach Europa zurück, desertirte in Bremen u. wollte dann über Oldenburg nach Sachsen gehen; in Emden bemächtigten sich aber preußische Werber seiner; nach einem zweimal mißglückten Versuch zu entfliehen, nahm er mit Hinterlegung einer Caution von 80 Thlrn., welche ihm ein Emdener Bürger zu diesem Zweck vorschoß, Urlaub u. kehrte nicht in den preußischen Dienst zurück, sondern widmete sich in Leipzig den Wissenschaften, übersetzte den englischen Roman Honorie Warren (1788), gab Unterricht in den neueren Sprachen u. wurde 1792 Magister u. Instructor des jungen Grafen Igelström; 1793 ging er als Secretär des Generals u. russischen bevollmächtigten Ministers Igelström nach Warschau, erhielt hier eine Offizierstelle bei den Grenadieren u. mußte alle wichtigen diplomatischen Schriften nach der zweiten Theilung Polens für die Kaiserin Katharina II. ausarbeiten. Bei dem Aufstande der Polen 1794 wurde er gefangen. Nach der Einnahme Warschaus durch Suwarow befreit, kam er als Begleiter des verwundeten jungen Major Muronzow wieder nach Leipzig. Als Paul I. die Regierung antrat, erhielt er seinen Abschied aus dem russischen Dienst, gab Unterricht im Englischen u. Französischen u. beschäftigte sich mit mehren literarischen Arbeiten; dann übernahm er das Amt als Corrector bei Göschen in Grimma. 1801 machte er eine neunmonatliche Fußreise durch Österreich nach Italien bis Sicilien u. zurück durch die Schweiz nach Paris. Er beschrieb diese Reise in seinem Spaziergange nach Syrakus, Braunschw. 1802, 4. Aufl. ebd. 1817, 3 Thle.; der dritte auch unter dem Titel: Apokryphen. Im Jahr 1805 machte er eine ähnliche Fußreise über Petersburg u. Moskau durch Finnland nach Schweden (beschrieben[914] in: Mein Sommer im Jahr 1805, Hamb. 1806, 2. Aufl. 1815) u. lebte dann wieder in Grimma. Er st. 13. Juni 1810 an einem Unterleibsübel im Bade zu Teplitz, wo auf dem dortigen Friedhofe ein einfacher Stein unter einer Eiche sein Grab deckt. Er schrieb noch: Einige Nachrichten über die Vorfälle in Polen im Jahre 1794, Lpz. 1796; Zwei Briefe über die neuesten Veränderungen in Rußland, Zürich 1797; Obolen, Lpz. 1797 f., 2 Bde.; Über das Leben u. den Charakter der Kaiserin Katharina II., Lpz. 1797; Gedichte, Riga 1780, 4. Aufl. 1815. Nach seinem Tode erschien sein Nachlaß, Lpz. 1811; Schriften, gesammelt zu Wiesbaden 1823, u. Lpz. 1826–27, 12 Bde., n. A. 1839 ff., in 1 Bd. Lpz. 1835; darin Selbstbiographie, vollendet von C. A. H. Clodius (Lpz. 1813) u. Kurzes Pflichten- u. Sittenbuch für Landleute. Das von G. L. Großmann, Kassel 1816, herausgegebene Gedicht S-s: Über Glückseligkeit u. Ehre, u. die in dem Taschenbuch Minerva auf das Jahr 1811 gedruckte Ausflucht nach Weimar 1813 ist in der Sammlung der Werke nicht enthalten.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 914-915.
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