Sphinx (Mythologie)

[348] Sphinx (Mythologie), ein abenteuerliches Gebilde des alten Aegyptens, in mancherlei Form dargestellt, meist als Löwengestalt mit einem Jungfrauenkopf und Busen, in liegender Stellung, die Löwenfüße vorgestreckt. So stand es in langen Reihen vor den Tempeln, gleichsam als stumme Wächterschaar, doch hat man auch einzelne [348] Sphinxe von kolossaler Größe in der Wüste und in den zerstörten Tempelstädten gefunden. Griechen und Römer ließen durch ihre Künstler die Sphinx häufig nachahmen, und auch die spätere europäische Kunst benutzte sie gern als architektonische Zier, wo sie als Symbol des Schweigens, des Geheimnisses, der Stärke und Weisheit dienen konnte. Die Mythe nennt uns das Ungeheuer S. als Tochter der Echidna und des Hundes Othros, und erzählt, daß die zürnende Juno dieselbe nach Theben gesandt, die Stadt und das Land zu verwüsten. Da lagerte sie auf hohem Fels und lauerte den Wanderern auf. Wen sie ergriff, dem legte sie ein Räthsel vor, und stürzte alle, die es nicht lösen konnten, vom Felsen herab. Endlich kam Oedipus auf seiner Wanderung nach Theben auch in ihren Bereich, und vernahm das Räthsel: »Welches Geschöpf geht am Morgen auf vier Füßen, Mittags auf zweien, Abends auf dreien?« Und Oedipus antwortete: »Der Mensch, der als Kind auf allen Vieren kriecht, und im Alter des Stabes sich als dritten Fußes bedient.« Da stürzte die Sphinx sich selbst vom Fels herab, und das Land war von dem Ungeheuer befreit.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 348-349.
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