Friedrich II. [2]

[806] Friedrich II., König von Preußen, der Große genannt, geb. den 24. Jan. 1712, Sohn Friedrich Wilhelms I. und der Sophia Dorothea von Hannover, der größte Monarch des vor. Jahrh., als Feldherr u. Staatsmann allen Zeitgenossen überlegen, unermüdlich thätig, eben so kühn als berechnend, Verächter alles unnützen Formenwesens, huldigte den in Frankreich herrschenden Ansichten von Religion und Staat und führte sie als Regent vielfach durch, ohne jedoch die unumschränkte Monarchie je aus den Augen zu verlieren oder dem militär. Eingreifen in bürgerl. Verhältnisse zu entsagen. Sein Vater erzog ihn streng militärisch und orthodox protestantisch, ohne damit die Einflüsse entfernen zu können, welche den lebhaften Prinzen der französ. Geistesrichtung und einem ungebundenen Leben zuführten. Die Folge davon war eine solche Abneigung zwischen Vater und Sohn, daß der eine an Enterbung dachte, der andere 18jährig nach England entfliehen wollte, was sein Gehilfe Katt mit dem Leben, der Prinz mit 1 jähr. Festungshaft in Küstrin büßen mußte. Auf freien Fuß gestellt arbeitete dieser als jüngster Kriegsrath einige Zeit an der Domänenkammer zu Küstrin, kehrte dann an den Hof zu rück u. wurde 1733 mit der Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern vermählt, obwohl er zum ehelichen Leben nicht taugte. Von 1734 lebte er in gelehrter Muße zu Rheinsberg und unterhielt einen sehr lebhaften Briefwechsel mit Voltaire. Den 31. Mai 1740 bestieg er den Thron; er erbte einen wohlgefüllten Schatz, eine geordnete Finanzverwaltung u. 70000 Mann gut geübter Truppen und zögerte nicht, dieselben zur Erweiterung seines Gebiets zu benutzen. Obgleich sein Vater die pragmatische Sanction garantirt hatte, forderte er, alte Ansprüche hervorsuchend, von Maria Theresia den größten Theil Schlesiens u. fiel im Dezbr. 1740 auf ihre Weigerung in Schlesien ein. Die Siege von Molwitz und Chotusitz verschafften ihm 1742 die Abtretung der Provinz im Frieden von Breslau; 1743 erbte er Ostfriesland u. als das Kriegsglück der Kaiserin gegen die Bayer u. Franzosen entschieden günstig war, griff F. II. 1744 abermals an, siegte bei Hohenfriedberg, Sorr und Kesselsdorf u. erhielt 1748 im Frieden von Dresden [806] die Abtretung Schlesiens bestätigt. Die folgenden 11 Friedensjahre benutzte er zur Vervollkommnung der Staatsverwaltung, zur Hebung der Industrie, für die er nach Colberts Vorbilde sehr große Summen verwandte, zur Ausbildung des Heeres und beobachtete zugleich die polit. Combinationen der europ. Höfe sehr wachsam. Der wohlbezahlte Verrath eines sächs. Beamten verschaffte ihm Gewißheit über die gegen ihn zwischen Oesterreich, Frankreich, Sachsen, Schweden und Rußland abgeschlossene Coalition u. er fiel ihrem Angriffe zuvorkommend den 24. August 1756 in Sachsen ein und besetzte den größten Theil dieses Landes, das er während des ganzen 7jähr. Krieges durch Mannschaft-, Geld- und Naturallieferungen unerhört ausbeutete. F. siegte bei Lowositz und Prag, wurde aber bei Kollin geschlagen; dasselbe Schicksal traf seine Generale bei Hastenbeck und Großjägerndorf, er machte jedoch alles wieder bei Roßbach u. Leuthen gut (Mai bis Nov. 1757). Von 1758 bis 63 wechselte das Glück mehrmals; der Herzog von Braunschweig hielt durch die Schlachten von Krefeld und Minden die Franzosen zurück, F. siegte bei Zorndorf über die Russen, verlor aber die Schlacht von Kunnersdorf, sein General Fouqué das Treffen von Landshut, aber bei Liegnitz war das Glück wieder mit F.s Fahnen, u. durch die Schlacht von Torgau rettete er sich Sachsen. Durch den Tod der Kaiserin Elisabeth von Rußland trennte sich die Coalition und wurde der Frieden von Hubertsburg (1763) möglich, welcher F. II. seine Eroberungen ließ. Durch diesen Krieg erwarb sich F. II. den Ruhm eines der größten Feldherren aller Zeiten, nicht nur durch seine kühnen, schnellen und wohlberechneten Bewegungen, sondern auch durch die geschickte Benutzung seiner verhältnißmäßig geringen Hilfsmittel, so wie durch die Umsicht, mit welcher er für die Bedürfnisse seiner Soldaten sorgte. Er ist einer der wenigen Eroberer, der im Glücke seine Kräfte nicht überschätzte u. nicht mehr behaupten wollte, als wozu jene hinreichten, insofern der Gegensatz zu Napoleon, der dies nie verstand und deßwegen unter ging. So lange F. II. lebte, war Preußen eine Großmacht u. entschied in den deutschen und europ. Fragen. Er war der eigentliche Urheber der 1. Theilung Polens 1772, was von seiner Seite ein polit. kluger Act war, indem die Provinz Preußen durch poln. Gebiet von den preußisch-deutschen Ländern getrennt und folglich immer gefährdet war; ob er aber auch eine 2. Theilung Polens zugegeben hätte, ist sehr die Frage, da er Rußland mit argwöhnischem Blicke beobachtete. Dagegen vereitelte er die Absichten Josephs II. auf Bayern, deren Gelingen Oesterreichs Einfluß auf Deutschland für immer das Uebergewicht verschafft hätte, durch einjährigen Krieg (1778–79) und 1784 durch den Fürstenbund; er st. 1786 den 17. August zu Sanssouci an der Wassersucht und hinterließ seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm II. ein um das Doppelte vergrößertes Reich, einen wohlgefüllten Schatz, ein starkes Heer, das in Europa als Muster galt, und eine Geltung des preuß. Namens, die dessen materielles Gewicht weit überstieg. – Die Einwirkung F.s II. auf Deutschland war eine tief eingreifende; von ihm eine nationale Politik und irgend etwas wie eine constitutionelle Verfassung zu verlangen, hat keinen Sinn, da es kein deutsches Nationalbewußtsein gab (nur deutsche Dynastieen), und ebenso wenig irgend etwas, das man heute mit dem Namen »Volk« bezeichnet. Dagegen hob er das Selbstgefühl jedes Deutschen, weil er, der größte König u. Held, ein Deutscher war; seine strenge Gerechtigkeit, seine Sorge für das materielle Wohl seiner Unterthanen, seine Förderung aller gemeinnützigen Anstalten, seine Liebe zu Künsten und Wissenschaften blieben nicht ohne Einfluß auf andere deutsche Fürsten. Allerdings war er dem franz. Wesen in der Literatur nur zu viel anhänglich; aber was gab es in der Jugendzeit des Königs Genießbares in der deutschen Literatur? und spornte nicht gerade das Franzosenthum des Königs die begabten deutschen Schriftsteller, z.B. Lessing, Klopstock etc. zur Opposition und selbstständigem[807] Streben? Die Irreligiosität theilte er mit den meisten hohen und vornehmen Herren seiner Zeit u. machte wenigstens kein Geheimniß daraus; dagegen wollte er weder an der Jesuitenverfolgung, welche damals die gekrönten Häupter eröffneten, Theil nehmen, noch griff er auf das Kirchenvermögen, eben so wenig als er protestant. Intoleranz etwas zugab. – Auch als Schriftsteller ist F. II. nicht ohne Bedeutung, weniger durch seine Gedichte als durch seine Correspondenz mit Gelehrten, besonders mit den franz. sog. Philosophen, dann durch historische und polit. Schriften, alles in franz. Sprache (Berlin 1788 bis 89; gegenwärtig wird von Friedrich Wilhelm IV. eine neue prachtvolle Ausgabe durch die Akademie veranstaltet).

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 806-808.
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