Anmerkungen

(Die mit * bezeichneten, sind vom Übersetzer hinzugefügt)

[356] Ein Mensch, der das Leben kennt, findet in seinen Lebenserinnerungen eine Unmenge von Beispielen der Liebe Wenn er sie aber niederschreiben will, weiß er nicht, auf welche er sich berufen soll. Die Beobachtungen, die er in einem gewissen Kreise gemacht hat, sind dem großen Leserkreis unbekannt, und man brauchte ungeheuer viel Seiten, um sie mit den nötigen Nuancen wiederzugeben. Aus diesem Grunde führe ich gern Romane an als etwas allgemein Bekanntes, ohne indessen meine Ansichten darauf aufzubauen oder den Leser zu zwingen, Phantasiegebilde, die meist mehr mit ihrer poetischen Wirkung als mit der Wahrheit rechnen, für diese in Kauf zu nehmen.


1 Des knappen Ausdrucks wegen und um das Innere der Seele malen zu können, führt der Verfasser unter Gebrauch der Formel »ich« verschiedene Empfindungen an, die ihm fremd sind. Er hat gar nichts Persönliches, das des Zitierens wert wäre.


2 Z.B. Diana von Poitiers in der »Prinzessin von Cleve« der Madame de Lafayette.


[356] 3 Epikur sagt, die Erkenntnis sei zum wirklichen Genuß nötig.


4 Vgl. folgende Stelle in Walter Scotts »Ivanhoe« (in der Übersetzung in Reclams Universalbibliothek, Seite 65 ff.):

»Wer in der Physiognomie des Prinzen kecke Dreistigkeit, Hochmut und Gleichgültigkeit gegen die Empfindungen andrer las, konnte ihr gleichwohl jene Schönheit nicht absprechen, die regelmäßige Gesichtszüge als Ausdruck wohlberechneter Höflichkeit und Liebenswürdigkeit immer an sich haben. Ein solcher Ausdruck wird oft fälschlich für männlichen Freimut gehalten, wo er doch nur der sorglosen Gleichgültigkeit eines leichtlebigen Charakters entspringt, der sich sehr wohl der Vorzüge bewußt ist, die ihm Geburt, Reichtum oder andre zufällige Vorteile verleihen, aber nichts mit persönlichem Wert zu schaffen haben.«


5 Vgl. Brown, Amours de Struensee dans les cours du Nord, 1819, 3 Bde.


6 Vgl. die Briefe von Madame du Deffant und Mademoiselle de Lespinasse, die Memoiren von Besenval, von Lauzun, von Madame d'Epinay, den Dictionnaire des Etiquettes von Madame de Genlis, die Memoiren von Dangeau und von Horace Walpole.


7 Vgl. Saint-Simon und Goethes »Werther«. Die Seele ist vielseitig wie ein feingeschliffener Brillant; ein Teil ihrer Einbildungskraft verbraucht sich im Mißtrauen der Gesellschaft gegenüber. Kraft im Charakter ist ein Reiz, der die meisten Frauenherzen bezaubert.[357] Daher der Erfolg ernster junger Offiziere. Die Frauen verstehen es vortrefflich, zwischen dem Ungestüm leidenschaftlicher Regungen, deren Möglichkeit sie in ihrem Herzen fühlen, und der Stärke des Charakters zu unterscheiden. Die vornehmsten Frauen werden in dieser Hinsicht mitunter durch etwas Scharlatanerie getäuscht. Man kann sie unbesorgt anwenden, sobald man merkt, daß die Kristallbildung begonnen hat.


8 Gerade dieser nervösen Sympathie möchte ich die wunderbare und unerklärliche Wirkung der Modemusik zuschreiben. (Dresden, Rossini, 1821.) Wenn sie nicht mehr Mode ist, wird sie deshalb nicht schlechter, aber sie macht keinen Eindruck mehr auf die leichtentflammten Herzen der Jugend. Vielleicht gefiel sie nur, weil sie die jugendliche Begeisterung erregte.

Frau von Sévigné (Brief 202 vom 6. Mai 1672) schreibt ihrer Tochter: »Lully hat mit der königlichen Kapelle das Höchste erreicht. Dieses schöne Miserere enthält ein Libera, bei dem aller Augen tränenfeucht waren ...« Man kann ebensowenig an der Wahrheit dieses Eindrucks zweifeln, als Frau von Sévigné guten Geschmack abstreiten. Die Musik Lullys, die sie entzückte, würde heutzutage abstoßen. Damals regte sie die Kristallbildung an, heute nimmermehr.


9 Der kleine Germain in den Memoiren von Gramont.


10 Vgl. die meisterhafte Schilderung jener langweiligen Sitten gegen Ende[358] von Corinne; dabei beschönigt Madame de Staël noch.


11 Vgl. Aphorismus 139 (auf Seite 302).


12 Man beobachte den Ton der Genfer Gesellschaft, zumal in den ersten Familien. Das Vorhandensein eines Hofes ist nützlich, weil dadurch das Verfallen in die Prüderie lächerlich gemacht und beseitigt wird. Nichts ist gesellschaft langweiliger als unechte Schamhaftigkeit.


13 Das ist die Geschichte des melancholischen Temperaments im Vergleiche zum sanguinischen. Man betrachte eine tugendhafte Frau, selbst wenn sie die kaufmännische Tugend gewisser Betschwestern übt, – jene Tugend, die im Paradiese hundertfach vergolten wird, – und einen blasierten Lebemann von vierzig Jahren. Obgleich Valmont in den Liaisons dangereuses (von Choderlos de Laclos) das noch nicht ist, so ist doch durch das ganze Buch hindurch die Präsidentin von Tourvel glücklicher als er. Und wenn der geistvolle Verfasser noch geistvoller gewesen wäre, so hätte er diesen Gedanken zur Moral seines hervorragenden Romanes gemacht.


14 Das melancholische Temperament könnte man das Temperament der Liebe nennen. Ich habe beobachtet, daß die vornehmsten Damen, die zur Liebe geradezu geschaffen waren, aus Mangel an Geist dem Prosaischen sanguinischen Temperament den Vorzug geben. (Geschichte Alfreds, Grande Chartreuse,[359] 1810.) Auf die sogenannte schlechte Gesellschaft näher einzugehen, habe ich keinen Anlaß ...

Hier verliert sich der arme Lisio Visconti in den Wolken.

Bei allen Frauen sind die Elemente der Herzensregungen und Leidenschaften gleich, nur die Form ist verschieden. Größerer Reichtum, höhere geistige Kultur, die Gewohnheit an höhere Gedanken und vor allem, unglücklicherweise, ein reizbarer Stolz, alles das bedingt Unterschiede. Eine Bemerkung, die eine Prinzessin empört, ärgert eine Sennerin in den Alpen nicht im geringsten; aber einmal im Zorn, hat die Prinzessin die gleichen leidenschaftlichen Wallungen wie die Sennerin.


15 The Heart of Midlothian von Walter Scott, III. Bd.


16 Zitat aus Byrons »Don Juan«.


17 Ich komme immer wieder auf Miß Cornel zurück, voll Bewunderung ob der tiefen Einblicke in die an ihr nackt beobachteten Leidenschaften. Ihre so gebieterische Art und Weise den Dienstboten Befehle zu geben, war kein Despotentum, sondern das Ergebnis der klaren und raschen Auffassung dessen, was zu tun nötig war. Sie hat mir mit aller Ausführlichkeit von ihrer Leidenschaft zu Mortimer erzählt. »Ich sehe ihn lieber in Gesellschaft als allein mit mir.« Geniale Frauen können nichts Besseres tun als zu wagen, völlig natürlich zu sein und sich von keinerlei Theorie beeinflussen zu lassen. »Ich bin als Schauspielerin glücklicher als die Frau eines Pairs.« Eine großzügige[360] Seele, die ich mir als Freundin erhalten muß, um an ihr zu lernen.


18 Größe und Mut in Kleinigkeiten, aber dabei leidenschaftliche Sorgfalt. Die Heftigkeit des cholerischen Temperaments. Sein Verhalten gegen Madame de Monaco (Saint-Simon, V, 383); sein Abenteuer unter dem Bett von Madame de Montespan, als der König bei ihr war. Ohne die Sorgfalt in Kleinigkeiten wäre ein solcher Charakter für Frauen unverständlich.


19 »When Minna Toil heard a tale of woe of romance, it was then her blood rushed to her cheeks, and shewed plainly how warm it beat notwithstanding the generally serious composed and retiring disposition which her countenance and demeanour seemed to exibit.«

W. Scott, The Pirate I, 33


Gewöhnliche Menschen halten Naturen wie Minna Toil, die alltägliche Ereignisse ihrer Gemütserregung nicht für wert halten, für kalt.


20 Es ist allgemein bekannt, daß diese berühmte Frau wahrscheinlich im Verein mit Larochefoucauld ihren Roman La Princesse de Clèves geschrieben hat, und daß beide die letzten zwanzig Jahre ihres Lebens durch die engste Freundschaft miteinander verbunden waren. Wahrlich, das ist Liebe nach italienischer Art!


21 Auch Racines Hippolyte und Bajazet.


22 »Come what sorrow can,[361]

It cannot countervail the exchange of joy

That one short moment gives me in her sight.«


Shakespeare, »Romeo und Julia«


23 Zitat aus Dante.


24 Vie de Haydn, Erstausgabe (1814), S. 228. *(Daselbst findet sich die gleiche Anekdote.)


25 Man erinnere sich (vgl. Anmerkung 1), daß der Verfasser bisweilen die Wendung »ich« anwendet in der Absicht, ein wenig Abwechselung in die äußere Form dieses Essays hineinzubringen. Keineswegs hat er die Anmaßung, die Leser in sein eigenes Innenleben einzuführen. Er will nur mit möglichst wenig Eintönigkeit die an andern gemachten Beobachtungen mitteilen.


26 »Haec autem ad acerbam rei memoriam, amara quadam dulcedine scribere visum est ... ut cogitem nihil esse debere quod amplius mihi placeat in hac vita.«

Petrarca


27 Der venezianische Dialekt hat so lebhafte Mittel zur Schilderung der sinnlichen Liebe, daß Horaz, Properz, Lafontaine und alle anderen Dichter tausend Meilen hinter ihm bleiben. Der Venezianer Buratti ist heute der erste satirische Dichter in unserem traurigen Europa. Besonders hervorragend ist er in der Schilderung des Physisch-grotesken an seinen Helden. Vgl. seine Elefanteide, Uomo, Strefeide.


28 »Die Prinzessin von Tarent«, Novelle von Scarron.


[362] 29 Wie in der Novelle »Der unverschämte Neugierige« von Cervantes.


30 Ein Beispiel gibt die Liebe Alfieris zu Mylady Ligonier, die nebenbei noch eine Liebschaft mit seinem Diener unterhielt und sich lächerlicherweise »Penelope« nannte. (Vita, 2.)


31 Wie man leicht ersehen kann, ohne daß ich es jedesmal besonders bemerke, sind auch einige andere Gedanken berühmten Schriftstellern entnommen. Ich suche eine Art Geschichte zu schreiben, in der Gedanken die Tatsachen sind.


32 Im Original: De la pique d'amour-popre. Stendhal bemerkt zu dem Ausdruck pique: Ich weiß, daß dieses Wort in dieser Bedeutung nicht allzu französisch ist, aber ich finde kein anderes dafür. Im Italienischen heißt es puntiglio, auf englisch pique.


33 Vgl. auch Mirabeau, »Briefe an Sophie«.


34 Vgl. Confessions d'un homme singulier, (Erzählung) von Mrs. Opie.


35 Volney, Tableaux des Etats-Unis d'Amérique, S. 491–496.


36 Die gefahrvolle Lage des Henri Morton im Clyde. Walter Scott, Old Mortality, Bd. IV, S. 224.


37 S. Cabanis, Rapport du physique et du moral de l'homme, Paris, 1802, 2 Bde.


38 Memoiren von Réalier-Dumas.[363] Korsika, das nicht halb soviel Bevölkerung (im Jahre 1820 180000 Einwohner) hat wie ein französisches Departement, hat in letzter Zeit Salicetti, Pozzo di Borgo, den General Sebastiani, Cervioni, Abbattucci, Arena, Luzian und Napoleon Bonaparte hervorgebracht. Das kommt daher, weil jeder Korse, wenn er sein Haus verläßt, eine Pistole tragen darf, und weil ein Korse, dem wahren Christentum zuwider, Selbstverteidigung und Rache ausübt.


39 In England meinen die bedeutendsten Schriftsteller sich einen weltmännischen Anstrich zu verleihen, wenn sie französische Worte zitieren; meistens sind es solche, die ihr Französisch lediglich aus englischen Grammatiken haben. Man nehme die Edinburgh-Review her oder die Memoiren der Gräfin von Lichtenau, der Maitresse des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen.


40 »Reise in Spanien« von Semple. Er ist ein realistischer Schilderer und gibt eine unvergeßliche Schilderung der Schlacht bei Trafalgar, deren Zuschauer er von weitem gewesen ist.


41 Grimms Korrespondenz, Jan. 1783 (III, 2, 102): »Am Eröffnungstage des neuen Hauses war Graf N***, Kapitän auf Lebenszeit in der Garde von Monsieur, (dem Bruder des Königs), entrüstet, daß er keinen Balkonplatz mehr frei fand. Er kam auf den bösen Einfall, einem ehrsamen Rechtsanwalt seinen Platz streitig zu machen. Dieser, Maître Parnot wollte auf keinen[364] Fall weichen. ›Sie nehmen mir meinen Platz!‹ sagte er. – ›Das ist meiner!‹ – ›Wer sind Sie eigentlich?‹ – ›Ich bin Herr Sechs-Franken‹ (das ist der Billetpreis). Ein lebhafter Wortwechsel, Beleidigungen und Stöße mit dem Ellenbogen folgten. Graf N*** trieb seine Rücksichtslosigkeit so weit, den armen Rechtsverdreher ›Dieb‹ zu schimpfen, und vermaß sich zuguterletzt, ihn durch den diensthabenden Schutzmann festnehmen und auf die Wache bringen zu lassen. Maître Parnot begab sich mit großer Würde dahin und reichte sofort nach seiner Wiederentlassung Klage bei Gericht ein. Die furchtbare Kaste, der anzugehören er die Ehre hatte, wollte von einer Zurücknahme der Klage nichts wissen. Die Angelegenheit kam vor das Parlament. Graf N*** wurde in die Kosten verurteilt, mußte dem Rechtsanwalt Genugtuung geben und ihm 2000 Taler Entschädigung zahlen. Diese Summe wurde mit seiner Einwilligung den armen Gefangenen der Conciergerie überwiesen. Außerdem wurde genanntem Grafen dringend ans Herz gelegt, die königlichen Orders über Ruhestörungen im Theater besser zu beachten. Der Vorfall wirbelte viel Staub auf, da öffentliche Interessen davon berührt wurden. Der ganze Richterstand hielt sich für bedroht, weil ein Träger des Amtskleides beleidigt worden war. Um die Geschichte in Vergessenheit zu bringen, suchte Herr von N*** auf dem Schlachtfeld von Saint-Roche Lorbeeren. Er konnte nichts Besseres tun, meinte man, um sein Talent zur Eroberung heftigumstrittener Plätze in Geltung zu bringen.«[365]

Man stelle sich einen unbekannten Philosophen an Stelle des Advokaten vor. Das Duell ist nützlich.

Siehe auch weiterhin auf Seite 496 einen recht verständigen Brief von Beaumarchais, der einem seiner Freunde eine vergitterte Loge zum »Figaro« versprochen hat und sie darum einem anderen ausschlägt. Solange man glaubte, diese Antwort richtete sich gegen einen Herzog, war das Geschrei groß, und man sprach bereits von schwerer Bestrafung. Als Beaumarchais aber erklärte, daß sein Brief nur an den Gerichtspräsidenten Dupaty gerichtet sei, lachte alles. Wir verstehen diese Empfindungsart nicht mehr. Und doch mutet man uns dieselben Trauerspiele zu, die jenen Menschen gefallen haben.


42 »Die Galanterie läßt man an den Frauen gelten, aber die Liebe verleiht ihnen etwas Lächerliches,« sagt der kluge Abbé Girard (Paris, 1740).


43 »Heu! male nunc artes miseras haec saecula tractant;

Jam tener assuevit munera velle puer.«

Tibull


44 Diese Angewohnheit der Franzosen entfremdet uns die Helden Molières immer mehr.


45 Vgl. La petite Ville (eine Sittenkomödie) von Picard.


46 *Anspielung an ein Stück von Scribe, »Der Soldat als Landwirt«.


[366] 47 Vgl. die »Memoiren der Markgräfin von Baireuth« und Mes souvenirs de vingt ans de séjour à Berlin von Thiébault *(deutsch von Robert Sulz, Stuttgart, 1902).


48 *Stendhal nennt das Stück Le Triomphe de la Croix, meint aber entweder »Das Kreuz an der Ostsee« (1806) oder »Martin Luther oder die Weihe der Kraft« (1807), beides Tragödien von Zacharias Werner. Über Stendhals Kenntnis der Dramen von Zacharias Werner vgl. Albert Konz, De Henrico Beyle sive Stendhal litterarum germanicarum judice. Paris, E. Leroux éditeur 1899, S. 10, 70, 75.


49 *Der gleiche Gedanke findet sich auch in Mirabeaus Lettres à Mauvillon, Hamburg, 1794, S. 171: »Ich habe dieselbe Absicht, die Tacitus hatte, als er die Sitten der Germanen schilderte, um in diese Schilderung eine Satire gegen Rom zu kleiden: es ist Frankreich, das ich in Preußen sehe ...« Mirabeau hat eine Geschichte des friederizianischen Preußens (London 1788) verfaßt.


50 Siehe Richardsons Romane. Die Sitten der Familie Harlowe in »Clarissa« sind mit einigen der Neuzeit entsprechenden Änderungen in England etwas Alltägliches; die Bedienten haben dort mehr Freiheit als die Herrschaft.


51 *Gemeint ist König Friedrich August der Gerechte von Sachsen.


52 Plunkell Craig, Vie de Curran.


[367] 53 Vgl. die entzückenden Briefe des Grafen Pecchio. Italien ist reich an solch tiefen Naturen, aber statt sich hervorzutun, verhalten sie sich still: Paese della virtu sconosciuta.


54 Vgl. Chabanons, Tableau de quelques circonstances de ma vie ..., Paris, 1795.


55 Das Prinzip der Askese des Jeremias Bentham.


56 Man mußte den liebenswürdigen General von Laclos reden hören (Neapel, 1802). Wenn man dieses Glück nicht gehabt hat, kann man die sehr kurzweilig geschriebene Vie privée du maréchal de Richelieu (9 Bde.) zur Hand nehmen.


57 Vgl. L'état de la puissance militaire de la Russie, das wahrheitsgetreue Werk des Generals Sir Robert Wilson.


58 Die Handschrift befindet sich in der Laurenziana zu Florenz.


59 Vgl. Raynouard, Choix des poésies originales des troubadours, Paris, 1817. II. Bd.; Raynouards Textzitate sind voller Irrtümer. Vgl. ferner: Crescimbeni, Comment. intorno alla storia della volgar poesia, sowie: Christoph Freiherr von Aretin, »Aussprüche der Minnegerichte«, München, 1803.


60 Andreas Capellanus ist vermutlich gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts schriftstellerisch tätig gewesen. Man findet in der Pariser Nationalbibliothek zwei Manuskripte seines Traktats De Amore (Nr. 8753[368] und Nr. 10363). Auf dem ersten Blatte steht: »Hic incipiunt capitula libri de arte amatoria et de reprobatione amoris ....« Es folgt eine Kapitelübersicht. Auf dem zweiten Blatte steht: »Incipit liber de arte [honesta] amandi et de reprobatione [inhonesti] amoris editus et compillatus a magistro Andrea francorum aule regie capellano.« Zu Ende des Manuskripts stehen die Worte: »De arte amatoria. Et amoris reprobatione perfectum nunc explicit opus. Editum a magistro Andrea regine capellano. Ad Gualterum amicum suum, cupientem in amoris exercitu militaire. Qui etiam alio nomine dicitur flos amoris.«

Crescimbeni erwähnt in seiner Storia della volgar poesia (Bd. II, S. 89–92) eine Florentiner Handschrift und führt verschiedene Stellen daraus an. Genauer handelt es sich um vier miteinander verwandte Handschriften, von denen zwei in der Riccardiana und zwei in der Laurenziana zu finden sind. Sie enthalten eine italienische Übersetzung des Traktats des Andreas Capellanus. Die Akademie der Crusca führt sie unter den Werken auf, die ihre Beispiele zu ihrem Vocabulario geliefert haben. Eine andere italienische Übersetzung bietet eine alte Handschrift in der Barberiniana in Rom. Der von Crescimbeni zitierte Codex Riccardianus in Florenz ist im Jahre 1408 geschrieben. Der Traktat ist bereits im dreizehnten Jahrhundert in das Französische übertragen worden, sowohl in Prosa wie in Versen, letzteres durch Drouart la Vache.[369]

Der lateinische Text des Traktats von der Liebe des Andreas Capellanus ist in zwölf Handschriften erhalten in den Bibliotheken von Rom Wolfenbüttel, Paris, Montpellier, Florenz, München, Brügge, Leipzig und Wien; die älteste ist die im Vatikan (Nr. 1463). Der lateinische Originaltext ist mehrfach gedruckt worden. Friedrich Otto Menckenius erwähnt in seinen Miscellanea Lipsiensia nova, Leipzig, 1751, VIII, 1, 454 ff. eine alte Ausgabe ohne Angabe des Druckortes und des Erscheinungsjahres, die er zu den ältesten Drucken rechnet. Diese sehr seltene, im fünfzehnten Jahrhundert gedruckte Ausgabe ist betitelt: Tractatus amoris et de amoris remedio Andree capellani pape Innocentii quarti ad Gualterum. Incipit feliciter et habet quatuor partes.

Eine zweite Ausgabe von 1610 trägt den Titel: Erotica seu Amatoria Andreae Capellani Regii vetustissimi scriptoris ad venerandum suum amicum Gwaltherum scripta numquam antehac edita sed saepius a multis desiderata. Nunc tandem fide diversorum MSS. codicum in publicum emissa a Dethmaro Mulhero. Dorpmundae. Typs Westhovianis. Anno Una Caste et Vere a Manda. Einige Exemplare tragen die Angabe: Tremoniae, Typs Westhovianis, 1614.

Andreas teilt sein Werk in folgende Kapitel ein:


Erstes Buch: I. Quid sit amor,

II. Inter quos possit esse amor,

III. Unde dicatur amor,

IV. Quis sit effectus amoris,

V. Quae personae sint aptae ad amorem,[370]

VI. Qualiter amor acquiratur et quot modis.

VII. De amore clericorum,

VIII. De amore monacharum,

IX. De amore per pecuniam acquisito,

X. De facili rei petitae concessione,

XI. De amore rusticorum,

XII. De amore meretricum.


Zweites Buch: Qualiter amor retineatur.

I. Qualiter status acquisit amoris debeat conservari,

II. Qualiter perfectus amor debeat augmentari,

III. Qualiter amor minuatur,

IV. Qualiter finiatur amor,

V. De notitia mutui amoris,

VI. Si unus amantium alteri fidem frangat amanti,

VII. De variis incidiis amoris.

VIII. De regulis amoris.


Drittes Buch: De reprobatione amoris.

Andreas läßt abwechselnd den Liebenden und die Dame sprechen. Sie macht Einwendungen, der Liebende sucht sie durch mehr oder minder feinsinnige Beweise zu widerlegen. Hier eine Stelle, wo der Verfasser den Liebenden sagen läßt: »... Sed si forte horum te sermonum perturbet obscuritas, eorum tibi sententiam indicabo. Ab antiquo igitur quatuor sunt gradus in amore constituti distincti:

Primus in spei datione consistit,

secundus in osculi exibitione,

tertius in amplexus fruitione,

quartus in totius personae concessione finitur.«
[371]

*Bemerkung: Die von Stendhal angeführten lateinischen Stellen sind nach dem Neudruck: Andreae Capellani regii Francorum De Amore libri tres. Recensuit E. Trojel. Hauniae, in libraria Gadiana, 1892, verbessert und ergänzt worden, ebenso die bibliographischen Angaben.


61 *Der Traktat De Amore des Andreas Capellanus ist gegen 1400 durch Eberhard Cersne in Minden in niederdeutscher Sprache poetisch bearbeitet worden.

Nach der Papierhandschrift Nr. 3013 der Hofbibliothek in Wien aus dem Jahre 1404 lauten die Minneregeln in dieser niederdeutschen Übersetzung:


Hij begynnen der mynnen regelen.


Dye erst regel der mynne:

Sache der echtschafft van der liebe ist keyn recht entschuldigunge.


Dye ander regel der mynne:

Wer nicht helet der kan nicht lieb gehan.


Dye dritte regel:

Keyner kan dubbeldir vorpundin zyn.


Dye vierte regel:

Dye liebe alletzijt sich meret edir mynnert.


Dye vunffte regel:

Daz ist vnsuße vnde sundir smag, daz eyner nympt van eyme, der vngerne zyn liebichin ist.


Dye sexte mynnen regel:

Der man nicht vbe mynnen spil e ym zyn heymeligen har vff gen.


Dye syebete regel der mynne:

Daz tode lieb had tzwe najar e zyn lieb eyn ander kese.


[372] Dye achtete regel:

Keyner sundir redeliche sache zal zyner liebe beroubit werdin.


Dye nvnde regel:

Keyner lieb gehabin kan ane da yn liebe tzudryngit.


Dye tzeende regel:

Liebe alle tzijt van gyrikeyt wil ellende zyn.


Dye elffte regel:

Ez getzempt nicht lieb gehan dye, van den men ane schamen vnde schande nvptien mag begernde zyn.


Dye tzwelffte regel:

Eyn recht war liebhabir van rechtir ger nicht nympt tzu danke noch tzu willen fromde kus vnde vmbevang sundir synes liebis alleyne.


Dye dryttzende regel:

Liebe selden lange (warit) wan sye wird offinbar vnde gemeyne.


Dye viertzende regel:

Liebe dye (men) lichtligen irwerbit dye wird vursmat, dye men swerlich krygit dye wirt lieb vnde wert gehalden vnde werit lang.


Dye vunfftzende regel:

Eyn istlich lieb in des andern angesichte wirt bleychir ab rotir vaer.


Dye sextzende regel:

Begert men ab biddit men van eynes liebichin ichteswaz, siet daz zyn lieb, da bebit vnde tzettirt ym zyn hertze van.


Dye sybentzende regel:

Nuwe liebe trybit dye alden hyn.


Dye achtzende regel:

Alleyne bederbikeyt machit eynen itslichen liebe werdig.


[373] Dye nvntzende regel:

Wan liebe mynren sich begynt, so vurget sye snel vnde kumpt selden wedir da sam sye da vorn ist gewest.

Dye tzwentigiste regel:

Der liebhabir ist vul forchtin alle tzijt.


Dye eynvntzwentigiste regel:

Van gyssen vnde dunken, daz zyn lieb getruwe sye vnde nicht vbil thu, da wessit ser dye liebe van.


Dye tzwevntzwentigiste regel:

Wan eyn zyn lieb wa mid vurdenkit, da wessit liebe vnde begerlikeyt van.


Dye drvvntzwentigist regel:

Den da moygen gedanken der liebe, der geessit noch enslefit nicht gar vil.


Dye viervntzwentigist regel:

Alle tat ab gewerk eynes liebhabirs wirt geendigit in synes liebis gedanken.


Dye vunffvntzwentigiste regel:

Wer da rechte lieb gehad, dem dunkit keyn dyng vff erdin seliger beßir vnde nvttzir zyn, dan daz her gedenke, wye her zyne liebe konne tzu willen vnde behegelich zyn; daz ist all zyn gedanke vnde beger.


Dye sexvntzwentigist regel:

Liebe kan der liebe nicht geweygeren.


Dye syebenvntzwentigist regel:

Der liebhabir kan nicht gesetigit werdin van zynes liebis mynnenspil sam sijt kus vmbefang vnde lieblich kosen etc.


Dye achtvntzwentigist regel:

Gar eyn cleyne sache tut eynen vbiltat gedenken van syme liebe.


[374] Dye nvnvntzwentigiste regel:

Der kan nicht lieb gehan den obirflußig lust moygit vnde reyßit.


Dye dryßigiste regel:

Dem rechtin lieb(habir) dunkit alle tzijt, wy ym zynes liebis bilde vnde gestalt tegenwardig sy vnde wye hers sie.


Dye eynvndryßigiste vnde dye leste regel:

Eyne frouwe van tzwen menren werden lieb gehad vnde eynen man van tzwen frouwen ist nicht vnmogelich noch kegn dye gebote der mynne.


Hij endigen sich der mynnen regelen.


(Vgl. Der Minne Regel von Eberhardus Cersne aus Minden, 1404 ... herausgegeben von Franz Xaver Wöber, Wien, Braumüller, 1861, S. 179 ff.)

Eine zweite, mittelhochdeutsche, Übersetzung, verfaßt vom Doktor Johann Hartlieb, lautet nach der sehr raren Inkunabel der k. Bibliothek in Dresden: Hie hebt sich an das buch Ouidij die liebe zuo erwerben und ouch die liebe uerschmehen etc. Getrückt vnd volendet zuo Strassburg von Martino Schotten noch Christi gburt 1484 uff zmstag noch Sant Gertrutentag etc. (Die Beziehung auf Ovid ist eine Mystifikation aus Gründen buchhändlerischer Reklame.) Es existieren außer dieser Ausgabe noch zwei andre, eine von 1482 und noch eine von 1484 (Augsburg, Anton Sorg). Das Originalmanuskript Hartliebs befindet sich in der Wiener Hofbibliothek (Codex 3053).


Von den regeln der mynne.


Jemant mag sich von lieb vnd mynn rechtlich scheyden.

Wer nit seines liebes fürcht vnd eyfert der mag nit lieb haben.

[375] Es ist nit lieblich noch wol geschmach was ein lieb von dem andern on seinen willen thuot oder empfecht.

Ein knab mag nicht recht lieb pflegen ee er zuo seinen bescheiden ioren kompt.

Nyemand mag zwey lieb haben.

Die lieb muoß alweg wachsen oder abnehmen.

Wann ein lieb zwei iar on buolen ist das wider die buolschaft.

Niemant sol seiner lieb vnd mynn on vrsach beräubt werden.

Niemand mag recht liebe haben dann da in sein hertz vnnd muot hintregt.

Lieb mag bei geitzigkeit nicht wonen.

Es sol niemant lieb noch mynn haben des er schandhet.

Ein rechter buoler begerd keiner freüd noch luost von andern weyben dann allein seyns buolen.

Die geoffent weit erschollen lieb vnd mynn mag gar selten lang weren.

Wer leichtlich gewert des lieb vnd mynn wird bald verschmecht.

Was hart ankompt das liebt vast.

Ein yeglichs rechts lieb wird bleich so ir lieb ansicht.

Wann ein weib iren buolen ansicht so erhitzt er.

Neüw lieb vertreibt die alten.

Allein fruomkeit macht die lieb würdig.

Wo die lieb seicht da verlischt sie bald vnd kompt nit wider.

Ein rechter mynnsichtiger buoler ist alweg sorgueltig.

Von eyfern wirt die lieb groesser und stercker.

Wer lieb empfind von seinen lieb daz macht die ringer lieb wachsen.

[376] Wen die lieb vmtreibt des schlaf vnd speiß sich ringert.

Do ist recht freüd wo lieb mit lieb betzalt wirdt.

Ein rechter buoler meint das nichts besser sei dann das er seines buolen willen thü.

Ein lieb mag dem andern lieb nichts versagen.

Ein lieb mag sich des andern niemer ersatten noch erfüllt werden.

Ein klein wenig arckwon macht in der lieb myßdenken.

Wer übrig vnkeüsch treibt der mag nicht recht lieb haben es sey frauw oder mann.

Ein rechter mynsichtiger buoler duncket alweg wie seines lyebes gestalt alweg vor im stee.

Einer frauwen ist (nicht) verbotten zwei lieb zuo haben.

Einem mann seind (nicht) verbotten zwo frauwen zuo buolen


Hartliebs Buch ist seit 1484 nicht wieder gedruckt worden.


62 *Ebenso wie Heinrich Heines Romanze vom Troubadour Jaufre Rudel (vgl. Anmerk. 83) ist auch sein »Der Asra« (beide im »Romancero«) auf die Lektüre von De l'Amour zurückzuführen. Die allbekannten Verse Heines lauten:


Und der Sklave sprach: »Ich heiße

Mohammed, ich bin aus Yemen,

Und mein Stamm sind jene Asra,

Welche sterben, wenn sie lieben.«


Über Heine und Stendhal vgl. die erste Anmerkung auf S. XVIII. Beide Dichter erwähnen sich einander in ihren Schriften und Briefen an keiner Stelle, so daß man annehmen muß, sie haben sich nicht persönlich gekannt.


[377] 63 Vgl. die Memoiren von Madame de Staal, Collé, Duclos, der Markgräfin von Baireuth.


64 Die Religion ist ein Pakt zwischen dem einzelnen Menschen und der Gottheit. Mit welchem Recht drängen sich andere Menschen zwischen meinen Gott und mich? Ich brauche einen offiziellen Anwalt nur in Dingen, die ich nicht selber verrichten kann.


65 Selbst unbedeutende Dinge haben lächerlicherweise genau wie auf uns Männer Einfluß auf die Erziehung der Frauen. So hat zum Beispiel das Ministerium derselben edlen Regierung, die gegen die Ehescheidung ist, der Stadt Laon ein Standbild der Gabrielle d'Estrées überwiesen. Es wird auf einem öffentlichen Platze aufgestellt, augenscheinlich um die jungen Mädchen an die Liebschaften der Bourbonen zu erinnern und sie anzuhalten, gelegentlich gegen liebenswürdige Könige nicht grausam zu sein und ihrem erlauchten Hause Nachkommen zu gewähren. Dafür verweigert das nämliche Ministerium der Stadt Laon die Genehmigung zu einem Denkmal des Marschalls Serurier, eines braven Mannes, der zwar kein galanter Herr war, aber seine Laufbahn als gemeiner Soldat begonnen hat. Vgl. Rede des Generals Foy im Courrir vom 17. Juni 1820; Dulaure, Histoire de Paris, unter Amours de Henri IV. *(Seit 1864 hat Serurier sein Denkmal in Laon.)


66 Lisio Visconti hat in der italienischen Übersetzung der »Ideologie« von[378] Destutt de Tracy ein Kapitel, betitelt Dell' Amore, gelesen. An jener Stelle wird der Leser Ideen von ganz andrer philosophischer Tragweite finden, als sich ihm alles in allem hier bieten.


67 *Franz Rudolf Weiß, Principes philosophiques, politiques et moraux, erschienen 1785, auch ins Deutsche übersetzt. Die zitierte Stelle: 7. Auflage, II, 245. Über die schweizerische Sitte des »Kiltgehens« vgl. Heinrich Driesmans, »Das Keltentum in der europäischen Blutmischung«, Jena, Eugen Diederichs Verlag, S. 117–119 und S. 172 ff.:

»Die Sitte des Kiltgangs ist zweifellos keltischen Ursprungs. Merkwürdigerweise findet man sie heutzutage weniger in den keltischen Urkantonen, wo sie von der katholischen Kirche unterdrückt wird, als in dem protestantischen Kanton Bern, wo die Geistlichkeit sie respektiert.«

»Im Schweizerischen Idiotikon, einem Wörterbuche der schweizer-deutschen Sprachen, das mit Unterstützung der schweizerischen Bundesregierung seit Jahren erscheint und, bei lokaler Beschränkung, ein ähnlich wertvolles Unternehmen ist wie das berühmte große Grimmsche deutsche Wörterbuch, werden im dritten Bande die Kiltgangsitten ziemlich eingehend behandelt, und dort wird als stereotype Antwort des Volkes gegenüber den Abmahnungen der Pfarrherren zitiert: ›Die Herren verstehen das nicht, weil sie nicht imstande wären, auf ehrliche Weise bei einem Mädchen zu liegen.‹« (J. V. Widmann in der »Nation« vom 5.11.1898.)


[379] 68 Frau von Sévigné schreibt ihrer Tochter am 23. Dezember 1671: »Ich weiß nicht, ob man Dir schon erzählt hat, daß Villarceaux, als er mit dem König über eine passende Stelle für seinen Sohn sprach, die Gelegenheit geschickt erfaßte und ihm berichtete, daß gewisse Leute seiner Nichte (Fräulein von Rouxel) einflüsterten, Seine Majestät hege Absichten auf sie. Wenn das der Fall sein sollte, bitte er untertänigst, sich seiner zu bedienen, da die Angelegenheit in seinen Händen sicherer ruhe als in denen anderer Leute, und er sich mit Erfolg dafür verwenden würde. Der König fing an zu lachen und sagte: ›Villarceaux, wir sind zu alt, Sie und ich, um uns an jungen Damen von fünfzehn Jahren zu vergreifen!‹ Und als richtiger Weltmann machte er hinterher seine Witze darüber und erzählte diese Geschichte den Damen.« (Bd. II, 340.)


69 Vgl. Aphorismus 165 (auf Seite 309).


70 Vgl. Saint-Simons Erzählung von der vorzeitigen Entbindung der Herzogin de Bourgogne, ebenso die der Madame de Motteville. Jene Fürstin wunderte sich, daß andre Frauen ebenso fünf Finger an den Händen hätten wie sie. Der Herzog Gaston von Orleans, Bruder Ludwigs des Dreizehnten, fand gar nichts besondres dabei, wenn seine Günstlinge aufs Schafott stiegen, um ihm einen Spaß zu bereiten. Ich selbst habe beim Marchese Berio in Neapel eine Liste der Grandseigneurs von 1778 gesehen mit Bemerkungen über ihre Sittlichkeit. Dieses Manuskript,[380] das vom General Choderlos de Laclos, dem Verfasser der Liaisons dangereuses, herrührte, hatte einen Umfang von mehr denn dreihundert Seiten und war reichlich skandalös.


71 Man lese die Memoiren des Kardinals von Netz.


72 *Arthur Schnitzler verflicht diese berühmte Stelle in seinen graziös-pikanten »Reigen« (Wien, Wiener Verlag, 1903 S. 67 ff.):

(Ein junger Mann ist beim zärtlichsten Beieinander mit einer Dame ...)

Der junge Herr: Kennst du Stendhal?

Die junge Frau: Stendhal?

Er: Die Psychologie de l'Amour.

Sie: Nein, warum fragst du mich?

Er: Es kommt eine Geschichte drin vor, die sehr bezeichnend ist.

Sie: Was ist das für eine Geschichte?

Er: Da ist eine ganze Gesellschaft von Kavallerieoffizieren zusammen ...

Sie: So?

Er: Und die erzählen von ihren Liebesabenteuern. Und jeder berichtet, daß ihm bei der Frau, die er am meisten, weißt du, am leidenschaftlichsten geliebt hat ..., daß ihn die, daß er die ..., also kurz und gut, daß es jedem bei dieser Frau so gegangen ist wie jetzt mir.

Sie: So.

Er: Das ist sehr charakteristisch.

Sie: Ja.

Er: Es ist noch nicht aus. Ein einziger behauptet ..., es sei ihm in seinem ganzen Leben noch nicht passiert,[381] aber, setzt Stendhal hinzu, – das war ein berüchtigter Bramarbas.

Sie: So.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Sie: Aber nein, ich lache ja nicht. Das von Stendhal ist wirklich interessant. Ich habe immer gedacht, daß nur bei älteren ... oder bei sehr ... weißt du, bei Leuten, die viel gelebt haben ...

Er: Was fällt dir ein. Das hat damit gar nichts zu tun. Ich habe übrigens die hübscheste Geschichte aus dem Stendhal ganz vergessen. Da ist einer von den Kavallerieoffizieren, der erzählt sogar, daß er drei Nächte oder gar sechs – ich weiß nicht mehr – mit der Frau zusammen war, die er Wochen hindurch verlangt hat ... desirée – verstehst du? – und die haben alle diese Nächte hindurch nichts getan als vor Glück geweint ..., beide ...

Sie: Beide?

Er: Wundert dich das? Ich find' das so begreiflich, – gerade wenn man sich liebt.

Sie: Es gibt aber gewiß viele, die nicht weinen.

Er (nervös): Gewiß, ... das ist ja auch ein exzeptioneller Fall.

Sie: Ah, ich dachte, Stendhal sage, alle Kavallerieoffiziere weinen bei dieser Gelegenheit.

Er: Siehst du, jetzt machst du dich doch lustig! – – Eine andre Spur von Stendhals De l'Amour in der deutschen Literatur sei noch erwähnt. Paul Heyse war in jüngeren Jahren ein Verehrer Stendhals und hat sogar Stendhals Novelle »Vanina Banini«, in recht unglücklicher Weise freilich, dramatisiert. In einer seiner Novellen schreibt er etwas pedantisch:[382]

»Schon ein flüchtiges Durchblättern des berühmten Werkes müßte jeden überzeugen, daß es sich hier nicht um ein frivoles, der Jugend gefährliches und gegen die Sittlichkeit sich auflehnendes Produkt handelt, sondern um eine sehr ernste psychologische und kulturhistorische Studie, deren Verfasser freilich, da er lange Zeit in Italien gelebt hat, die Frage, die er behandelt, von einem anderen Standpunkt aus betrachtet, als man sie in Deutschland zu betrachten pflegt, nichts weniger aber beabsichtigt hat, als der großen Menge solcher Leser, die nach Schilderungen zweideutiger Verhältnisse und lüsterner Szenen begierig sind, einen Gefallen zu tun. Für alle ernsthaften Leser aber wird sowohl die psychologische Theorie des geistvollen Franzosen über die Kristallisation, wie der reiche Schatz in einzelnen Bemerkungen und charakteristischen Beispielen von höchstem Werte sein.«


73 *Außer diesen und den im Text und in den Anmerkungen genannten Werken erwähnt Stendhal in fortgelassenen Anmerkungen noch folgende Autoren und Werke:

Birkbeck, Reisebeschreibungen und Reisebriefe, (S. Namenverzeichnis unter »Birkbeck«,)

Bougainville, Reiseschilderungen,

Cadet-Gassicourt, Voyage en Autriche, en Moravie et en Bavière, fait à la suite de l'armée française en 1809, Paris, 1818,

Cook, Tagebuch seiner Weltumseglungen,

Crabbe, Gedichte,

Ducray-Duminil, Romane,

Abbé Grégoire, Memoiren,

Guillaume, Werk über die Troubadoure,[383]

Lemontey,

Massillon,

Mémoire et discussion sur le Zodiaque de Dendérah à l'Académie des sciences à Paris, 1821.

Monti,

Moore, Lalla-Rookh,

Nivernais, Le troubadour Guillaume de la Tour,

Potter, L'esprit de L'Eglise, 1821 (8 Bde.),

Radael,

Romagnesi, Romanzen,

Royaumont,

de Tracy, philosophische Schriften,

Voiron, Guy Allard de, Oeuvres badines.


74 *»Die Briefe der Portugiesischen Nonne« Marianna Alcoforado, Tochter eines portugiesischen Offiziers (Francisco da Costa Alcoforado), sind wahrscheinlich in den Jahren 1667 bis 1668 geschrieben und an ihren untreuen Geliebten, den französischen Rittmeister Noël Bouton, Marquis von Chamilly, gerichtet. Sie sind zuerst erschienen im Jahre 1669 bei Claude Barbin in Paris und zwar in französischer Sprache; die portugiesischen Originale sind verschollen. Später sind die Briefe, von denen nur fünf echt sind, in verschiedenen, meist durch Fälschungen stark vermehrten Ausgaben wiedergedruckt und auch in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts mehrfach ins Deutsche übersetzt worden. Der Inselverlag hat im Jahre 1905 eine Übersetzung unter dem Titel »Schwester Marianne[384] und ihre Liebesbriefe« in prächtiger Ausstattung erscheinen lassen.

Um einen Begriff von der überschwenglichen Leidenschaft dieser Briefe zu geben, sei der Übersetzung folgende Stelle entnommen:

»... Bei der ersten günstigen Gelegenheit will ich Ihnen nun das senden, was ich noch von Ihnen hatte. Ich habe alles Dona Brites zur Besorgung gegeben, so daß ich mit Sicherheit glauben kann, daß Sie das Porträt und die Armbänder erhalten haben, die Sie mir dereinst geschenkt haben ...

Das gestehe ich zur Schande für uns beide, daß ich mich mehr mit diesen Kleinigkeiten verknüpft gefühlt habe, als ich Ihnen erzählen will, und daß ich alle meine Vernunft nötig hatte, um mich von jedem einzelnen Stück zu trennen, selbst nachdem ich froh war, daß ich mich nicht mehr mit Ihnen verbunden fühle. Aber mit Hilfe so vieler guter Vernunftsgründe erreicht man schließlich alles, was man will.

Ich habe alles Dona Brites übergeben. Wie viele Tränen hat mich dieser Entschluß nicht gekostet! Nach tausend wechselnden Gemütsstimmungen, von denen Sie nichts ahnen und über die ich Ihnen wahrlich keine Rechenschaft ablegen will, habe ich sie flehentlich gebeten, nie mehr mit mir von diesen Kleinigkeiten zu reden, sie mir nicht zurückzugeben, selbst wenn ich sie darum bitten sollte, um sie noch einmal zu sehen, und sie Ihnen zu senden, ohne mich etwas davon wissen zu lassen.[385]

Ich habe das Übermaß meiner Liebe erst so recht kennen gelernt, nachdem ich alles daran gesetzt, von ihr geheilt zu werden, und ich fürchte, ich hätte nie gewagt, diesen Versuch zu machen, wenn ich hätte voraussehen können, daß es so schwierig wäre und mir so heftige Gemütsbewegungen bereitete. Ich bin überzeugt, daß ich weniger gelitten hätte, indem ich Sie liebte trotz Ihrer Undankbarkeit, als indem ich Sie für immer verlasse. Ich habe einsehen gelernt, daß mir meine Liebe teurer war als Ihre Person, und ich habe ganz unsinnig gelitten, indem ich sie bekämpfen mußte, auch nachdem Sie sich durch Ihre beleidigende Handlungsweise mir widerwärtig gemacht hatten. Der natürliche Stolz meines Geschlechtes hat mir nicht geholfen, Ihnen gegenüber eine Entscheidung zu treffen. Ich armes Menschenkind! ...

Die törichten Versicherungen Ihrer Freundschaft und die lächerliche Verbindlichkeit in Ihrem letzten Briefe haben mich sehen lassen, daß Sie alle Briefe erhalten haben, die ich an Sie geschrieben habe, und daß sie keinen Eindruck auf Ihr Herz gemacht haben. Und Sie haben sie doch gelesen! Undankbarer Mensch, der Sie sind! Ich bin noch töricht genug, verzweifelt darüber zu sein, daß ich aufhören muß, mir einzubilden, daß sie nicht in Ihre Hände gelangt sind. Ich verabscheue Ihre Aufrichtigkeit ... Warum ließen Sie mich nicht meine Liebe behalten? ...

Ich zweifle nicht, daß ich hierzulande einen treueren Geliebten finden könnte, was aber vermöchte mich wohl dazu zu bringen, ihn wieder zu[386] lieben? Sollte irgend eines andern Mannes Liebe wohl imstande sein, auf mich Eindruck zu machen? Habe ich nicht erfahren, daß der Mensch, der die Liebe kennen gelernt hat, denjenigen nie vergessen kann, der ihn zuerst zu all' jener unbekannten Leidenschaft erweckt hat, deren er fähig ist? Weiß ich nicht, daß alle seine Gefühle an dem Götzenbild hängen bleiben, das er sich geschaffen hat, daß er die ersten Eindrücke nie vergessen, sich von seinen ersten Wunden nie erholen kann? ... Daß alle Vergnügungen, die er nach außen hin sucht, ohne sich etwas daraus zu machen, ihn nur mehr fühlen lassen, daß ihm nichts so teuer ist als die Erinnerung an all' seinen Kummer und Schmerz ...«


75 *Die im Buche über die Liebe vielfach erwähnten Lettres de Mademoiselle de Lespinasse gehören zu Stendhals Lieblingsbüchern. Er hält sie für die »schönsten Liebesbriefe der Weltliteratur«. Aus diesem Grunde sei hier eine Bibliographie der Lespinasse-Literatur gegeben:

Lettres de Mademoiselle de Lespinasse, écrites depuis l'année 1773 jusqu'à l'année 1776, ..., Paris, Collin, 1809, 2 Bände.

Briefe der Lespinasse. Deutsch von J.C.W. Spazier. Leipzig, Büschler, 1810, 2. Auflage 1824, 2 Bände. (Die deutsche Ausgabe der Liebesbriefe der Lespinasse ist 1908 bei Georg Müller in München erschienen.)

Lettres de Mlle. de Lepinasse, ... augmentées de son éloge sous le nom d'Eliza par M. de Guibert ... Paris, Longchamps, 1811, 2 Bde.

[387] Nouvelles lettres de Mlle. de Lepinasse, suivies du portrait de M. de Mora ... Paris, Maradan, 1820. (Die hier gegebenen Briefe sind unecht. Von der Lespinasse stammen nur das Portrait de M. de Mora, richtiger de M. de Guibert, und die Apologie d'une pauvre personne.)

Lettres de Mlle. de Lespinasse, avec une notice biographique par Jules Janin, Paris, Amyot, 1847.

Sainte-Beuve, Mlle. de Lespinasse, in Causeries du Lundi, II. 96–112. (In den Tatsachen vielfach unrichtig, aber geistvoll geschrieben.)

Karl Frenzel, »Dichter und Frauen«, Studien, Hannover, Rümpler, 1859, S. 245–265: Julie Lespinasse. (Veraltet.)

Alfred de Musset, Femmes de la Régence. Paris, Charpentier, 1858, passim.

Lettres de Mlle. de Lespinasse, ... par Eugène Asse. Paris, Charpentier, 1876. Edition couronnée par l'Académie française. Neueste Auflage: 1903, mit einer Studie des Herausgebers. (Vorzügliche Ausgabe.)

Lettres de Mlle. de Lespinasse, ... avec une notice par Gustave Isambert. Paris, Lemerre, 1876, 2 Bände.

Mademoiselle de Lespinasse et la Marquise du Deffant ... par Eugène Asse. Paris, Charpentier, 1877.

Le tombeau de Mlle. de Lespinasse, par d'Alembert et par le comte de Guibert, publié par le bibliophile Jacob. Paris, Librairie de bibliophiles, 1879.

[388] Lettres inédites de Mlle. de Lespinasse à Condorcet, à d'Alembert, à Guibert, au comte de Crillon, ... publiées par Charles Henry. Paris, Dentu, 1887.

Mademoiselle de Lespinasse. Eine Studie von Neera. Zu finden in: Neera, »Das galante Jahrhundert«. Aus dem Italienischen übersetzt von Berthof. Dresden, Reißner, 1903, S. 37 bis 67. (Durchaus wertlos. Julie de Lespinasse ist in Klara Lespinasse umgetauft.)

Gebrüder Goncourt, La femme au XVIIIe siècle. Deutsche (vorzügliche) Ausgabe: »Die Frau im 18. Jahrhundert« von Edmond und Jules Goncourt, Leipzig, Julius Zeitler, 1905, Bd. I, S. 174 ff.

Marquis de Ségur, Julie de Lespinasse. Paris, Calmann-Lévy, (1905), VI, 651 Seiten. (Auf gründlichen Archivforschungen beruhende Arbeit.)

Correspondance entre Mademoiselle de Lespinasse et le Comte de Guibert, publiée pour la première fois d'après le texte original par le Comte de Villeneuve-Guibert. Paris, Calmann-Lévy, (1906), VI, 536 Seiten. (Endgültige Ausgabe.)


76 *»Hoch vor Lust klopft mir das Herz ...«, Cavatine der Ninetta in der »Diebischen Elster« Rossinis.


77 Den Zustand der englischen Sitten um 1820 vergegenwärtige man sich aus dem »Leben Beatties«, verfaßt von einem vertrauten Freunde. Man wird lesen, daß Beattie die große Gemeinheit gehabt hat, von einer alten[389] Marquise zehn Guineen anzunehmen, um dafür Hume zu verleumden. Der Adel stützt sich auf die Geistlichkeit, die dafür eine Rente von 200000 Franken erhält. Der widerlichste cant herrscht allerorts. Eine lustige Seite auf Englisch zu schreiben, ist ein Ding der Unmöglichkeit.


78 Vgl. die spanischen und dänischen Romanzen des dreizehnten Jahrhunderts. Dem französischen Geschmack werden sie fad oder grob erscheinen.


79 *Stendhal führt in De l'Amour folgende Italienliteratur an:


Lettres familières écrites d'Italie en 1739 et 1740 par Charles de Brosses, Paris, 1799. Neu herausgegeben von Romain Colomb, 2 Bände. Paris, Perrin, 1885, fünfte Auflage 1904. Diese Briefe gehören ebenfalls zu Beyles Lieblingsbüchern, vgl. Bd. V dieser Ausgabe, S. 447 ff.

Dupaty, Präsident, Lettres sur l'Italie, Paris 1788, 2 Bände.

Staël, Madame de, Corinne ou de l'Italie. Paris, 1804.

Eustace, John Chetwood, A classical tour trough Italy, London, 1815, 4 Bde.

Semple, Robert, Observations on a journay trough Spain and Italy to Naples etc. in 1805. London, 1807, 2 Bde.

Sharp, Samuel, Lettres from Italy. London 1766.

Smollet, Tobias George, Travels through France and Italy. London, 1778, 2 Bde.

Ginguené, P.L., Histoire littéraire de l'Italie Paris, 1811–35, 14 Bde.
[390]

Ein wie vielseitiger und verständiger Kenner Italiens Beyle selbst war, geht aus seinen Reisebildern »Rom, Neapel, Florenz« (1817), seinen »Wanderungen durch Rom« (1829) und aus seinen Briefen hervor. In dem erstgenannten Buch zitiert er auch Goethes »Italiänische Reise«. Der Band VIII der vorliegenden deutschen Stendhal-Ausgabe, »Italien«, wird eine Auslese aus Stendhals Italienschilderungen bringen.


80 Vgl. die Analyse des asketischen Prinzips in den Traités de législation civile et pénale von Bentham, I. Bd., Paris, 1802 (3 Bde.).


81 Man lese die Vie de Saint Charles Borromée. Er hat Mailand umgewandelt und geschändet, die Rüstkammern leer und die Kirchen voll gemacht.


82 »Torva leaena lupum sequitur, lupus ipse capellam,

Florentem cytisum sequitur lasciva capella.

... Trahit sua quemque voluptas.«

Virgil


83 *Diese Geschichte von Jaufre Rudel hat Heinrich Heine ohne jeden Zweifel (vgl. Anmerk. 62) in Stendhals De l'Amour gefunden und in seiner Romanze »Geoffroy Rudèl und Melisande von Tripoli« im »Romancero« (entstanden in den Jahren 1846–1851) verwendet. Es heißt da u.a.:


Auch Rudel hat hier zum ersten

Und zum letzten Mal erblicket[391]

In der Wirklichkeit die Dame,

Die ihn oft im Traum entzücket.

Über ihn beugt sich die Gräfin,

Hält ihn liebevoll umschlungen,

Küßt den todesbleichen Mund,

Der so schön ihr Lob gesungen!

Ach, der Kuß des Willkomms wurde

Auch zugleich der Kuß des Scheidens,

Und so leerten sie den Kelch

Höchster Lust und tiefsten Leidens.


Der gleiche Stoff hat Uhland zu seinem »Rudello« und auch Carducci und Swinburne zu Dichtungen begeistert. Neuerdings hat ihn Edmond Rostand in seiner La Princesse lontaine (»Die Prinzessin im Morgenland«, Drama in vier Aufzügen, in deutschen Versen von Friedrich von Oppeln-Bronikowski, Berlin, Albert Ahn, 1905) auf die Bühne gebracht. Gaston Paris hat allerdings mit unerbittlicher Gelehrtengrausamkeit nachgewiesen (Revue historique, Bd. 53, 1893), daß die Geschichte von Rudel ebenso wie die vom Troubadour Guillem de Cabestaing (S. 174 ff.) nur holde Liebeslegenden sind, der romantischen Phantasie des dreizehnten Jahrhunderts entblüht.


84 *Napoleon der Große hat bekanntlich die Meisterwerke der italienischen Malerei in Paris vereinigt. Nach seinem Sturze sind sie größtenteils wieder an die Orte ihrer Herkunft zurückgegeben worden.


85 *Diese Skizze ergänzt das Kapitel 2 (Seite 6, 9 bis 16) und erläutert Stendhals Theorie von der Kristallbildung.


86 In Frankreich ist alles[392] entgegengesetzt wie in Italien. Zum Beispiel sind Reichtum, hohe Geburt, tadellose Erziehung südwärts der Alpen der Liebe förderlich, in Frankreich dagegen feindselig.


87 *Dieses Bruchstück ist von Paul Arbelet in der Revue bleue vom 29. April 1905 veröffentlicht worden. Beyle hat Mathilde Dembowska während seines vom August 1814 bis zum Juni 1821 währenden Mailänder Aufenthalts, vermutlich im Jahre 1818, kennen gelernt. Wir wissen, daß sie ihm am 25. Oktober 1819 verbot, ihr weitere Briefe zu schreiben. Wahrscheinlich hatte man ihn bei Mathilde verleumdet. In seiner Melancholie über dieses Mißgeschick geriet Beyle auf den Einfall, seine innere Stimmung, seine Empfindungsweise, seine ganze leidenschaftliche Liebe zu ihr in einem Roman zur Darstellung zu bringen, der nur für ihre Augen bestimmt sein sollte. In leicht verschleierter Weise wollte der unglücklich Verliebte die Beziehungen beider klarlegen und damit das Herz der angebeteten Frau rühren. Der polnische Offizier ist niemand anders als er selbst, Contessa Bianca ist Mathilde und die Duchezza von Empoli Mathildes Cousine, Frau Traversi. Sie besaß in Desto (zwischen Monza und Como) ein schönes Landhaus, wo sich Mathilde häufig mit ihren beiden Söhnen aufhielt. Man muß also für Bologna »Mailand« setzen. Beyle selbst, der mit Frau Traversi in Wirklichkeit keine persönlichen Beziehungen hatte, sondern sie nur vom Hörensagen und Ansehen kannte, hat ihren Landsitz[393] vermutlich nie betreten. Der Roman ist nie über die hier wiedergegebenen Blätter hinaus gediehen, und Mathilde hat nicht einmal diese geringfügigen Anfänge in die Hände bekommen. Die boshafte Eifersucht der Frau Traversi verstand es, den Unwillen Mathildes in Abneigung zu erweitern. Paul Bourget, dessen Romane und Schriften von Einflüssen und Ideen seines Vorbildes Stendhal durchtränkt sind (vgl. Band V, S. 8), hat das Problem der Eifersucht aus Freundschaft im Kampfe gegen die Liebe in seinem Roman Une idylle tragique behandelt.
[394]

Quelle:
Von Stendahl – Henry Beyle über die Liebe. Jena 1911, S. 356-395.
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