Aetzen [1]

[98] Aetzen, die Verwendung chemischer Lösungsmittel (Aetzmittel), um in Metall, Kalkstein, Glas u.s.w. erhabene oder vertiefte Zeichnungen herzustellen, die entweder (wie z.B. Kupfer- und Zinkplatten) zum Druck verwendet werden oder nur als Verzierungen dienen.[98]

Die zu ätzenden Flächen werden mit dem Lösungsmittel bedeckt, nachdem diejenigen Stellen, die unangegriffen bleiben sollen, mit einem »Aetzgrund« geschützt worden sind. Der Aetzgrund ist eine für das Aetzmittel unangreifbare Fläche, z.B. Harz, besonders Asphalt, Wachs, gehärtete Gelatine. Für graphische Zwecke ätzt man die Zeichnung entweder schwach vertieft in die Platte (»Tiefätzung«) und macht davon in der Kupferdruckpresse Abdrücke, oder man läßt die Zeichnung erhaben stehen (»Hochätzung«) und druckt davon in der Buchdruckpresse nach Art des Holzschnittes. – Für Herstellung vertiefter Zeichnungen überzieht man die ganze Fläche dünn mit Aetzgrund, z.B. für Metallplatten schmilzt man 2 Teile gepulverten Asphalt bei mäßigem Feuer und setzt 1 Teil Kolophonium zu und schließlich 11/2 Teile Wachs; an Stelle des Asphaltes kann auch Mastix verwendet werden. Fügt man dem Harzgemische noch Talg zu, so wird es weicher und geschmeidiger. Die geschmolzene Masse wird gut gemischt; man läßt sie etwas abkühlen und gießt sie in lauwarmes Wasser, worin man sie sorgfältig knetet und zu Kugeln oder Stangen formt. Die zu ätzende Platte wird erwärmt, so daß der in einem Stück Taffet eingebundene Aetzgrund beim Andrücken an die Platte schmilzt; man verbreitet ihn gleichmäßig. Ein andrer Aetzgrund (nach V. Jasper) besteht aus 50 g Wachs, 40 g Asphalt, 20 g Kolophonium, 30 g reinem Harz, 15 g Mastix, der durch Schmelzen der einzelnen Bestandteile in einem Gefäße erhalten wird.

Man läßt die Platte etwas abkühlen und kann den Aetzgrund schwärzen, indem man die überzogene Seite nach unten wendet und sie über einer brennenden Wachskerze oder andern rußenden Flamme anrußt. Will man dem Aetzgrund eine weiße Farbe statt einer schwärzen erteilen, so reibt man Bleiweiß mit Bleiwasser und etwas Ochsengalle an und trägt mittels eines Pinsels auf. – Als durchsichtiger Aetzgrund dient ein zusammengeschmolzenes Gemisch von 1 Teil Mastix und 1 Teil Wachs. (Ziegler.)

Der Künstler überträgt nun die Zeichnung auf den Aetzgrund und nimmt diesen an den Stellen, die geätzt werden sollen, mit der Radiernadel weg (Radierung). Man versieht die Platte mit einem 1–2 cm hohen »Aetzrande« (z.B. aus einem geschmolzenen Gemische von 10 Teilen weißem Wachs, 10 Teilen weißem Pech und 1 Teil Schweineschmalz, oder: 6 Teilen gelbem Wachs, 7 Teilen burgundischem Pech, 2 Teilen venetianischem Terpentin und 4 Teilen Rindschmalz [W. Ziegler]) und ätzt. – Als Deckfirnis für die Platte dient eine Lösung von Asphalt in Terpentinöl oder 2 Teile Wachs, 3 Teile Asphalt, die zusammengeschmolzen und nach dem Abkühlen mit 16 Teilen Terpentinöl vermischt werden; dieser Firnis wird auch zum zeichnerischen Teildecken verwendet.

Als Aetzmittel für Kupfer verwendet man gewöhnlich Salpetersäure von 1,28 spez. Gew., die beim Gebrauche gewöhnlich mit ca. 1/3 Wasser verdünnt wird. Wenn in der Salpetersäure ein Stückchen Kupfer aufgelöst ist oder man ein wenig von schon zur Kupferätzung gebrauchter Salpetersäure beimischt, so erfolgt die Aetzung gleichmäßiger. Die Säure wird 1–11/2 cm hoch aufgegossen und durch vorsichtiges Hin- und Herfahren mit einem Pinsel die Anhäufung von Gasblasen und von basischem Kupfersalz verhindert. Böttcher empfiehlt für Messingätzung ein Gemisch von 20 Teilen Salpetersäure, 40 Teilen Salzsäure, wozu man eine Lösung von 10 Teilen Kaliumchlorat in 200 Teilen Wasser beimischt. – Die Kupferätzung mit Salpetersäure verursacht infolge der starken Gasentwicklung beim Aetzen mitunter Schwierigkeiten. Aetzmittel für Kupfer, bei denen keine Gasentwicklung auftritt, sind nach Schwarz und Böhme: 10 Teile Salzsäure, gemischt mit einer Lösung von 2 Teilen Kaliumchlorat in 90 Teilen Wasser, welche Vorratslösung man vor dem Gebrauche noch mit gleichem oder doppeltem Volumen Wasser verdünnt. – Für photographische Zwecke stellt man auf Kupferplatten entweder Asphaltbilder oder Leimbilder (sogenannte Pigmentbilder) her, bei denen das im Licht unlöslich gewordene Gemisch von Leim und Kaliumbichromat als Aetzgrund dient. Diese Leimbilder würden der Salpetersäureätzung nicht standhalten. Man muß deshalb die weniger heftig wirkende Eisenchloridlösung (spez. Gew. 1,3–1,4) als Aetzmittel verwenden, die ohne jede Gasentwicklung das Kupfer nach der Gleichung 2Cu + Fe2Cl6 = 2FeCl2 + Cu2Cl2 oder Cu + Fe2Cl6 = 2FeCl2 + CuCl2 auflöst und dabei das Leimbild je nach der Konzentrierung nicht oder wenig angreift; Zusatz von Alkohol zum Eisenchloridbade dient zum Verlangsamen des Aetzprozesses. Eisenchloridätzbäder verwendet man zur Herstellung von Heliogravüren, Kupferautotypien u.s.w.

Für Stahl verwendet man Salpetersäure, häufig mit Zusatz von Weingeist, Holzessig, Quecksilber-, Silber-, Wismutsalzen u.s.w. Elsner empfiehlt ein Gemisch von 1 Teil Silbernitrat, 8 Teilen Salpetersäure (spez. Gew. 1,22), 30 Teilen Weingeist (80°) und 60 Teilen Wasser. Ein andres Stahlätzmittel nach Turell ist ein Gemisch von 1 Volum Salpetersäure, 4 Volum Holzessig und 1 Volum Weingeist. Langsam wirkt eine Lösung von 2 Teilen Jod, 5 Teilen Jodkalium und 40 Teilen Wasser (Schwarz und Böhme). Photographische Asphaltbilder kann man in Stahl mit Salpetersäure ätzen; Chromleimbilder halten dieser Aetzung nicht stand, sondern man muß mittels konzentrierter Eisenchloridlösung ätzen; ein noch milderes, aber zu kostspieliges Aetzmittel für Stahl ist (nach Talbot) Platinchloridlösung.

Zink wird am besten mit verdünnter 2–20 prozentiger Salpetersäure geätzt (vgl. Husnik, Die Zinkätzung, 2. Aufl., Wien 1896). Photographische Leimbilder ätzt man in Zink mittels eines Gemisches von 400 ccm 40 prozentigem Weingeist und 5 ccm konzentrierter Salpetersäure. Auch alkoholische Eisenchloridlösungen von 20° Bé mit Zusatz von etwas Oxalsäure oder Zitronensäure sind für Zink verwendbar, ferner nach E. Valenta Lösungen von Ferrisulfat, dann die obenerwähnten Jod-Jodkaliumlösungen. Glasätzungen werden mittels Flußsäure oder Fluornatriumlösungen hergestellt (vgl. Kampmann, C., Die Dekorierung des Flachglases durch Aetzen, Halle a. S. 1899); für Kalksteine sowie Perlmutter dient verdünnte Salpetersäure, Salzsäure oder Essigsäure.

Bei der Lithographie (s.d.) ätzt man die Steine mit Gummi und Salpetersäure.

Das galvanische Aetzen beruht darauf, daß man die mit Aetzgrund versehene Metallplatte in eine Metallsalzlösung (z.B. Kupfer in ein Kupfervitriolbad, Zink in Chlorzinklösung u.s.w.) als [99] Elektrode als Anode hängt, während eine zweite Platte als Kathode gegenüber angebracht ist. Der hindurchgeleitete elektrische Strom (z.B. von einigen Bunsenelementen oder von einer Dynamomaschine) bewirkt das allmähliche Auflösen des Metalles an der Anode und einen dementsprechenden Aetzprozeß.

Beim Aetzen von Metallen erscheint es vorteilhaft, die Aetzflüssigkeit in Bewegung zu erhalten, um das Festsetzen von Gasblasen oder schlammartigen Aetzprodukten auf der Metallfläche zu hindern. Zu diesem Zwecke schaukelt man die Aetztröge oder fährt während des Aetzprozesses mit Haarpinseln über die zu ätzende Fläche. Es wurden auch sogenannte Aetzmaschinen konstruiert, deren Prinzip darin besteht, daß die Aetzflüssigkeit mittels eines Gebläses – ähnlich wie es mit einem Flüssigkeitszerstäubungsapparat geschieht – auf die zu ätzende Platte geschleudert wird, womit eine Abkürzung der Aetzdauer und glatterer Verlauf der Aetzung verbunden sein soll. Eine solche Maschine stellte L.E. Levy in Paris 1900 aus. (Eders Jahrb. f. Phot. 1901, S. 3.)

J.M. Eder.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 98-100.
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