Drehen, Drehbank [1]

[181] Drehen, Drehbank. Taylor hat eingehende Versuche über Dreharbeit und Werkzeugstähle [1] angestellt, als deren Ergebnis folgende Tabelle (vgl. hierzu Fig. 1) und Bemerkungen anzuführen sind:


Drehen, Drehbank [1]

[181] Je spitzer der Zuschärfungswinkel, desto schwerere Späne können abgenommen werden; es muß dabei aber auf die Gefahr des Ausbrechens der Schneidkante Rücksicht genommen werden. Für Gußeisen machen kleinere Meißelwinkel als 68° eine Verringerung der Schnittgeschwindigkeit notwendig. Für weichere Stahlsorten von etwa 40 bis 45 kg/qmm Zugfestigkeit haben größere Zuschärfungswinkel als 61° eine Abnahme der Schnittgeschwindigkeit und eine Zunahme des Kraftverbrauchs zur Folge. – Je größer der Ansatzwinkel, desto leichter kann der Stahl in das Material einhaken. Wenn die Stähle von Hand geschliffen werden, sollte der Ansatzwinkel 9 bis 12° betragen. Je größer der Hinterschleifwinkel, desto kleiner wird der Druck des Arbeitsstücks gegen den Stahl und um so genauer wird der zu drehende Durchmesser. Bei zu großen Hinterschleifwinkeln werden die Späne direkt gegen das Stichelhaus geleitet und klemmen sich leicht fest. Ferner wird bei größeren als in der Tabelle angegebenen Hinterschleifwinkeln die Gefahr des Hakens der Stähle vermehrt. – Je größer der Seitenschleifwinkel, desto besser rollen die Späne seitlich ab und stoßen nicht gegen das Stichelhaus; ferner wird die auf den Stahl wirkende kippende Kraft verringert. Größere als die in obiger Tabelle angegebenen Winkel verursachen leicht Einhaken des Stahls in das Material. – S.a. Schnittgeschwindigkeiten.

Um bei Schnellschnittstählen zu sparen, benützt man für den Schaft des Drehstahles billiges Material und schweißt Schnellstahlplättchen an der Schneidkante auf. Dabei wird der Schaft vorn durch Schmieden abgesetzt und die Verbindung zwischen diesem und dem Schnellstahlstück unter Anwendung von Schweißpulver in der Weißglühhitze erreicht. Das Härten der aufgeschweißten Schnellstahlstücke wird ohne Rücksicht auf die Schweißstelle derart vorgenommen, daß die bis zur Weißglut erhitzte Stahlspitze in Talg oder Petroleum abgeschreckt oder auch in einem starken Luftstrome abgeblasen wird.

Spezialdrehwerkzeuge. Für das Andrehen von Zapfen an Bolzen u.s.w. verwendet man vielfach die Zapfendrehwerkzeuge, Fig. 2 (fälschlich bisweilen als Zapfen- oder Hohlfräser bezeichnet). Fig. 3 zeigt den zugehörigen Halter. Zum Ausdrehen von Arbeitsstücken werden profilierte Fassondrehstähle mit mehreren Schneidkanten nach Fig. 4 und 5 verwendet, die infolge der Hinterdrehung das Profil beim Nachschleifen an der Brustkante beibehalten. Fig. 5 zeigt in der rechten Hälfte das zum Teil aufgebrauchte Werkzeug.

Die Fortschritte im Bau von Drehbänken sind durch die Verwendung des Schnellschnittstahls bedingt, der eine größere Anzahl von Umdrehungszahlen der Spindel und eine kräftigere[182] Konstruktion der Einzelteile verlangt. Im einzelnen weisen bei Stufenscheibenantrieb die Scheiben eine größere Breite auf, und Stufenscheiben von kleinem Durchmesser sind, um ein Gleiten des Riemens zu verhüten, vermieden. An Stelle eines einzigen Zahnrädervorgeleges sind zwei oder mehr angeordnet. Ueber die Einzelkonstruktion vgl. [2] und [3]. Eine große Anzahl von neueren Konstruktionen verwendet den Einriemenscheiben- oder elektrischen Einzelantrieb und Veränderung der Umdrehungszahl mit Hilfe von Zahnräderstufengetrieben [2], [3]. Beim elektrischen Einzelantrieb wird auch die Aenderung der Umdrehungszahl durch Verwendung eines Stufenmotors erzielt.

Fig. 6 zeigt eine Präzisions-Schnelldrehbank von Gebr. Böhringer in Göppingen. Der Elektromotor ist auf den Spindelstock aufgesetzt. Die Bewegung des Supports erfolgt mit Hilfe einer Leitspindel oder einer Zugspindel. – An Stelle der einfachen Dreh- und Bohrwerke (s. Bd. 3, S. 63, Fig. 13) verwendet man vielfach wegen des geringeren Grundflächenbedarfs und der Bedienung durch einen Arbeiter das doppelte Dreh- und Bohrwerk, Fig. 7 (Deutsche Werkzeugmaschinenfabrik vorm. Sondermann & Stier, Chemnitz). – Die Anforderungen der Industrie haben zu sehr großen Abmessungen der Drehbänke geführt. Ein Beispiel hierfür ist die in Fig. 8 dargestellte Karusselldrehbank von Ernst Schieß, A.-G., Düsseldorf. Sie ist zum Drehen von Arbeitsstücken bis 12 m und 3,4 m Höhe bestimmt. Die einen Durchmesser von 11 m besitzende Planscheibe macht zwischen 0,085 bis 4 Umdrehungen in der Minute. Das Gesamtgewicht der Maschine beträgt 300 t.

Von großer Wichtigkeit werden in der Massenfabrikation mehr und mehr die selbsttätigen Drehbänke (Automaten). Eine eingehende Bearbeitung dieses Sondergebiets liegt in [6] vor, auf die. hier verwiesen werden muß.


Literatur: [1] Taylor-Wallichs, Ueber Dreharbeit und Werkzeugstähle, Berlin 1910. – [2] Hülle, Fr., Die Werkzeugmaschinen, 3. Aufl., Berlin 1913. – [3] Ders., Schnellstahl- und Schnellbetrieb im Werkzeugmaschinenbau, Berlin 1909. – [4] Ruppert, Fr., Aufgaben und Fortschritte[183] des deutschen Werkzeugmaschinenbaus, Berlin 1907. – [5] Benjamin, C.H., Moderne amerikanische Werkzeugmaschinen (deutsch von C. Heim), Leipzig 1908. – [6] Kienzle, H., Arbeitsweise der selbsttätigen Drehbänke, Kritik und Versuche, Berlin 1913. – [7] Goodrich and Stanley, Automatic Screw Machines and their tools, Newyork 1909.

A. Widmaier.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 8.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 181-184.
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