Alpenvereine

[373] Alpenvereine (Alpenklubs), Vereine, welche die Erforschung der Alpen zu ihrer Aufgabe machen. Der älteste derselben ist der Alpine Club in London (seit 1857), der eine Anzahl der schwierigsten und kühnsten Bergersteigungen ausgeführt hat. Zu seinen Publikationen gehören das Prachtwerk »Peaks, passes and glaciers« (Lond. 1860–62, 4 Bde.), der ausgezeichnete »Alpine Guide« (2. Aufl., das. 1872–74, 3 Bde.) von J. Ball und das »Alpine Journal« (seit März 1863). Der Verein richtet seine Tätigkeit auch auf den Kaukasus, den Himalaja u.a. Nächstdem trat im März 1862 der Österreichische Alpenverein (in Wien) zusammen, der seine Tätigkeit vorzugsweise den Österreichischen Alpen zuwendet und in den »Mitteilungen« (Wien 1863–64, 2 Bde.) und dem »Jahrbuch des Österreichischen Alpenvereins« (1865–73, 9 Bde.) über seine Arbeiten berichtet hat. Im April 1863 konstituierte sich der Schweizer Alpenklub, der in wissenschaftlicher Hinsicht Bedeutendes geleistet hat, in 47 Sektionen 6287 Mitglieder zählt und 34 Unterkunftshäuser und Schutzhütten errichtet hat. Er hält Führerkurse ab und gründete eine Kasse für Führerversorgung. Sein Organ ist das mit trefflichen Karten ausgestattete »Jahrbuch des Schweizer Alpenklubs« (Bern 1864 ff.), ferner die Zeitschrift »Alpina« und für die romanischen Sektionen das »I, 'Echo des Alpes« (Genf 1870 ff.). Vgl. Buß, Die ersten 25 Jahre des Schweizer Alpenklubs (Glar. 1890). Der 1863 gegründete Club Alpino Italiano mit 5200 Mitgliedern in 34 Sektionen verfolgt die naturwissenschaftliche und touristische Erforschung der Alpen wie auch des Apennin. Er hat 68 Schutzhütten errichtet und gab in Turin heraus: »Bolletino del Club Alpino Italiano« (1865–84, 18 Bde.), »L'Alpinista« (1874 bis 1875, 2 Bde.) und seit 1882 die »Rivista mensile«.

Der Deutsche Alpenverein wurde 1869 in München gegründet, 1874 trat ihm der Österreichische Alpenverein als Sektion bei, worauf der Gesamtverein den Namen Deutscher und Österreichischer Alpenverein annahm. Dieser mächtige Verein zählte 1902 in 276 Sektionen 52,089 Mitglieder, nämlich 76 Proz. deutsche und 24 Proz. österreichische. Davon entfielen auf München 3520, Berlin 2420, auf die Austria in avien 2306, Nürnberg 1427, Schwaben 1489, auf Leipzig 1080 und Dresden 1050 Mitglieder. In Städten mit Hochschulen sind besondere akademische Sektionen des Vereins entstanden, so in Wien, Graz, München, Berlin, Leipzig, Dresden. Das Vereinsvermögen beträgt 100,000 Mk., außer dem Wert einer umfangreichen, 1900 von R. Rickmers geschenkten alpinen Zentralbibliothek (in München), die Summe der jährlichen Ausgaben beläuft sich auf etwa 320,000 Mk. Die Tätigkeit des Vereins ist eine literarische und eine praktische. Die erstere Richtung pflegt der Verein durch seine »Zeitschrift« (seit 1869, von 1885 ab in Jahresbänden) und die »Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins« (seit 1875, von 1885 ab in halbmonatlichen Nummern). Während die Zeitschrift vornehmlich die populär-wissenschaftliche Richtung kultiviert und entsprechende Kunstbeilagen (Karten, Panoramen, Ansichten) gibt, dienen die »Mitteilungen« mehr dem eigentlichen Vereinsleben und der praktischen Tätigkeit. Als selbständige Werke gab er heraus. die von Sonklar, Gümbel, Hann, Dalla Torre und Ranke bearbeitete »Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Alpenreisen« (1879–81, 5 Tle.), einen »Atlas der Alpenflora« (500 Blätter, gemalt von Hartinger, Text von Dalla Torre, Wien, 2. Aufl.), »Die Erschließung der Ostalpen« (redigiert von Richter, 1894, 3 Bde.), zwei wissenschaftliche Ergänzungshefte über Gletscherstudien, den Alpenvereinskalender von J. Emmer. Aus seiner wissenschaftlichen Tätigkeit sind hervorzuheben die topographischen Aufnahmen der Berchtesgadener Alpen, der Karwendel-. Ortler-, Ferwall-, Ötztaler-, Rosengarten- und Adamellogruppe (1902), ferner zahlreiche Gletschervermessungen und die Errichtung und Subvention der meteorologischen Hochstationen am Sonnblickgipfel (3095 m) und auf der Zugspitze (2984 m). Die wissenschaftlichen Unternehmungen des Vereins unter einem dazu eingesetzten wissenschaftlichen Beirate namhafter Gelehrter erstrecken sich auf topographische und geologische Kartenarbeiten, auf Gletscherforschungen, Fluß- und Seestudien, Pflege volkstümlicher und mundartlicher Forschungen etc. Er hat eine Reihe von Wegen gebahnt, in neuester Zeit besonders alpine Höhenwege für bequeme und ausgedehnte Gratwanderungen. Schutzhütten, die neuesten in Höhen über 3000 m, besitzt der Verein 205, davon 125 bewirtschaftete, die übrigen verproviantierte. An allen ist das Vereinsschloß mit gleichem Hüttenschlüssel angebracht, den jedes Mitglied erwerben kann. Diese Schutzhütten sind rot eingedruckt in den zwei Blatt Ostalpenkarte von L. Ravenstein, die der Verein 1900 und 1901 herausgab als Schutzhüllenkarte. 1209 Führer sind auf Gutachten des Vereins von den Behörden autorisiert worden; der Verein hat eine jetzt mustergültig ausgebildete Führerunterstützungskasse (Vermögen 159,000 Mk.) gegründet. Ferner gründete und unterhält der Verein Führerlehrkurse; nach den Kursen der Sektionen Innsbruck, Bozen, Salzburg und Villach erhielten bei der Schlußprüfung unter Vorsitz des Zentralpräsidenten 1900: 78,1901: 90 Führer das Diplom des Vereins. Er veranlaßte ferner die Einrichtung von 533 Studentenherbergen in Gebirgsgasthöfen an 412 Orten. Zuschüsse werden ferner für Aufforstungen und dem in engem Anschluß an den Verein gegründeten Verein zum Schutze der Alpenpflanzen und für die zwei im Gschnitztal und am Schachen angelegten Versuchsgärten gegeben. Durch seine literarischen Organe fördert der Verein die alpinen Rettungsausschüsse, die sich bei[373] Überhandnahme der alpinen Unglücksfälle als selbständige Vereine seit 1898 in Wien, Salzburg, Innsbruck, München und Kempten gebildet haben, und denen zahlreiche Sektionen des Vereins als Stationen beigetreten sind. Bei ihnen wie bei allen alpinen Vereinen wurde auf Vorschlag des Alpine Club das internationale alpine Rettungssignal eingeführt (sechs hör- oder sichtbare Zeichen in einer Minute als Hilferuf). Der alpine Skisport hat sich durch Förderung des Vereins, der auch Alpenführer im Skilaufen unterrichten läßt (1902 in zwei Skikursen in Gastein und St. Anton 22 Führer), so ausgebildet, daß er in den Voralpen, z. B. in Steiermark, anfängt, zum Volksbesitz zu werden, und daß auch in den Hochalpen schon Skitouren auf Monte Rosa (4638 m), Cevedale (3774 m) und Großvenediger (3660 m) zu verzeichnen sind. Der Verein beschickt die internationalen alpinen Kongresse, zuletzt 1900 in Paris (erster Gressonay 1877, zweiter Genf 1879, dritter Salzburg 1882, vierter Turin 1885). Für die durch Hochwasser in den Alpen Geschädigten sammelte er 1882: 154,935 Gulden und 1899: 43,263 Mark. – Vgl. »Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins«, Jahrgang 1894, Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens des Vereins; sie enthält die Geschichte der wissenschaftlichen Erforschung der Ostalpen seit Begründung des Vereins von E. Richter, ferner die Geschichte des Alpinismus von L. Purtscheller. und die Geschichte des Vereins von J. Emmer, eine Übersicht und Beschreibung der Schutzhütten etc.; vgl. ferner die Jubiläumsfestschriften der ältesten Sektionen, z. B. Leipzig, 1894.

Von dem 1869 gegründeten Österreichischen Touristenklub (1901: 9073 Mitglieder) in Wien (s. Touristenvereine)‚ zweigte sich 1878 der »Alpenklub Österreich«, nun Österreichischer Alpenklub genannt, ab, der 650 Mitglieder zählt (Organ: »Österreichische Alpenzeitung«) und drei Schutzhütten besitzt. In Frankreich bildete sich 1874 zu Paris der Club alpin français, der in 52 Sektionen 6300 Mitglieder zählt, 25 Unterkunftshäuser und Schutzhütten errichtet hat, ein »Annuaire« und seit 1882 ein »Bulletin mensuel« veröffentlicht und sich mit der Montblancgruppe und den Westalpen, besonders aber mit den Pyrenäen beschäftigt, von denen er (seit 1882) eine Karte herausgibt. A. von geringerm Umfang sind der Steirische Gebirgsverein (1868), die Società degli Alpinisti Tridentini (1872), die Société des Touristes du Dauphiné (1875), die Società alpina Friulana (1881), der Club alpin Belge (1883), die Societá alpina delle Giulie (1883), der Club alpino Ticinese (1886), der Niederösterreichische Gebirgsverein (1890), der Slowenische Alpenverein, der Ungarische Karpathenverein, der Wiener Bergsteigerbund, der Club alpin Russe (Moskau 1901). Weiteres über derartige Touristenvereine s. d.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 373-374.
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