Arbitrage

[696] Arbitrage (franz., spr. -āsch', v. lat. arbitrium. Entscheidung), im allgemeinen die Erwägung und Entscheidung über die günstigsten unter den an verschiedenen Plätzen sich bietenden Einkaufs- und Verkaufsgelegenheiten, findet insbes. Anwendung auf Edelmetalle, Geld, Wechsel und Effekten sowie die Einziehung von Forderungen und die Begleichung von Zahlungen im Ausland. In ihrer einfachsten Form kommt sie vor als Geldarbitrage, die ermittelt, durch welche Geldsorten am vorteilhaftesten an andern Orten Zahlung zu leisten ist oder Forderungen eingezogen werden können. Sind 20 Frankstücke in Berlin für 16,40 Mk. zu kaufen, und stehen 20 Mk. in Paris auf 24,69 Fr., so würde eine von Berlin nach Paris zu leistende Zahlung vorteilhafter in deutschem als in französischem Gold geleistet werden, während eine auf Paris lautende Forderung am besten dort[696] in französischem Gold einkassiert würde. Diese Berechnung wird verwickelter, sobald noch verschiedenartige Spesen, Transportkosten und eine größere Zahl von Plätzen und Geldsorten in Betracht kommen. Eine größere Bedeutung hat heute die Wechselarbitrage, die aus den Kursverschiedenheiten verschiedener Wechselplätze dadurch Vorteil zu ziehen sucht, daß sie ermittelt, an welchem Platz ein Wechsel am billigsten zu erhalten und am höchsten zu verwerten ist Man kann nämlich bei der Zahlung wie bei der Einkassierung dreierlei Wechsel benutzen: Wechsel auf den fremden Platz, Wechsel auf den eignen Platz und Wechsel auf einen von beiden verschiedenen Platz. Bei obliegenden Zahlungen wählt man, ob man auf sich trassieren läßt, oder ob man Wechsel (Rimessen) einschickt, und in letzterm Fall, ob man Rimessen auf den Zahlungsort oder auf irgend einen andern Ort einschickt. Beim Inkasso wählt man zwischen dem Trassieren auf den Schuldner und der Aufgabe an denselben, Rimessen zu machen, die wiederum in Wechseln auf den eignen oder irgend einen fremden Platz bestehen können. Die Entscheidung hängt vom Stande der Wechselkurse ab, d.h. von dem Preis, der für die Wechsel auf die verschiedenen Plätze bezahlt wird. Hat z. B. ein Pariser Haus nach Amsterdam 100 holländ. Gulden zu zahlen. und steht der Kurs von Paris auf Amsterdam auf 209 Frank (100 Guld.), der von Paris auf London auf 25 Fr. (1 Pfd. Sterl.), von London auf Amsterdam auf 12 Guld. (1 Pfd. Sterl.), so sind bei direkter Remittierung nach Amsterdam 209 Fr. aufzuwenden. Gibt dagegen der Pariser einem Kommissionär in London Auftrag, Amsterdamer Papiere zu kaufen, und sendet er ihm als Deckung Londoner Papiere, so zahlt der Kommissionär 81/3 Pfd. Sterl. für 100 Guld. Der Pariser aber kauft Londoner Papiere, die auf 81/3 Pfd. Sterl. lauten, für 2081/3 Fr. Die indirekte Rimesse über London ist also vorteilhafter als die direkte. Ähnlich wird bei der Einziehung von Forderungen verfahren, und zwar wird mit Hilfe der telegraphisch eingegangenen Kurszettel der verschiedensten Wechselplätze ermittelt, welche der möglichen indirekten Remittierungen die vorteilhafteste ist. Werden bei der hierbei angestellten Rechnung, der Arbitragerechnung, die abweichenden Unkosten (Provision, Courtage, Porto) der verschiedenen Wege berücksichtigt, so nennt man sie eine zusammengesetzte, im andern Fall eine einfache A. Zur Erleichterung der Rechnung hat man für wichtigere Plätze eigne Wechselarbitragetafeln aufgestellt, in denen alle praktisch möglichen Kurse in Rechnung gezogen sind. Da der Diskont an den verschiedenen Wechselplätzen meist ein ungleicher ist, so sind auch die Aufwendungen verschieden, die man machen muß, je nachdem man zur Zahlung an einem andern Platz einen dort fälligen kurzsichtigen Wechsel kauft oder einen langsichtigen daselbst diskontieren läßt. Die zur Vergleichung solcher Aufwendungen anzustellende Rechnung nennt man die Diskontarbitrage.

Auch bei Effekten wird durch A. (Aktien-, Staatspapier-, Effektenarbitrage) ermittelt, welche Plätze für Kauf und Verkauf derselben am günstigsten sind. Dieselbe wird infolge davon schwierig. daß die Notierungsweise desselben Papiers an verschiedenen Börsen sehr ungleich ist (hier Rechnung nach Stück, dort nach Prozenten, hier einschließlich. dort ausschließlich der laufenden Zinsen etc.). Die genannten Operationen werden aber nicht allein ausgeführt, um Zahlungen zu machen und Forderungen einzukassieren, sondern auch, um nur aus Kursverschiedenheiten, z. B. durch eine hierdurch veranlaßte Trassierung, Gewinn zu ziehen, indem sich zu diesem Zweck mehrere Häuser verschiedener Plätze miteinander verständigen. Die A. veranlaßt am einen Ort eine Hebung, am andern eine Herabdrückung und damit eine Ausgleichung der Kurse. Vgl. Swoboda, Die kaufmännische A. (11. Aufl., Berl. 1901); Haupt, Arbitrages et parités (8. Aufl., Par. 1894); Becker, Die praktische A. (Berl. 1876); Stern, Die A. im Bank- u. Börsenverkehr (Leipz. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 696-697.
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