Bürgerliche Zeit

[626] Bürgerliche Zeit, die im bürgerlichen Leben angewendete Zeitrechnung, im Gegensatze zu den verschiedenen astronomischen Zeiten. Bis zum Ende des 18. Jahrh. bildete die wahre Zeit des betreffenden Ortes, wahre Ortszeit (vgl. Sonnenzeit), die b. Z., die durch die Sonnenuhren angegeben wurde. Nachdem aber gute mechanische Uhren hergestellt waren und das Bedürfnis nach exakter Zeitangabe größer geworden war, machte sich die Ungleichheit derwahren Sonnentage störend bemerkbar, und man sing an, das bürgerliche Leben nach der mittlern Sonnenzeit zu regeln, die mittlere Ortszeit als b. Z. einzuführen. Zuerst geschah dies um 1780 in Genf, wo der Moment des mittlern Mittags durch einen Schlag an die große Glocke der Kathedrale verkündet wurde, kurze Zeit später nahm man auch in England die mittlere Zeit an, ferner 1810 in Berlin, 1816 in Paris, 1832 in Zürich. Da aber nur an wenigen Orten die mittlere Ortszeit mit hinreichender Genauigkeit bestimmt werden konnte, führte man in vielen Ländern bald die mittlere Ortszeit der Hauptstadt als Landeszeit ein. Die Unzuträglichkeiten, die bei dem gesteigerten Verkehr die Vielgestaltigkeit der Landeszeiten mit sich brachte, gab am Ende des 19. Jahrh. Veranlassung, als b. Z. die Zonenzeit (vgl. Einheitszeit) einzuführen, die sich nur um volle Stundenbeträge von der Greenwichzeit unterscheidet; so gilt in Deutschland als b. Z. seit 1. April 1893 die Mitteleuropäische Zeit, die genau eine Stunde größer ist als die Greenwichzeit. Der bürgerliche Tag beginnt mit Mitternacht und wird in zweimal zwölf Stunden eingeteilt, nur in Italien zählt man die Stunden bis 24 durch.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 626.
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