Dithyrambos

[61] Dithyrambos (griech.), ursprünglich Beiname des Dionysos und ein bei dessen Festen zur Flöte im Reigen um den Altar gesungener Hymnus, der Taten und Leiden des Gottes in einer dem enthusiastischen Charakter des Kultes entsprechenden Weise verherrlichte. Eine eigentliche Kunstform erhielt er in Korinth durch Arion (um 625), der daher geradezu als Erfinder des D. galt. In Athen erwuchs nicht nur die Tragödie aus ihm, sondern gaben auch die an den großen Dionysien und Lenäen von Chören zu je 50 Personen aufgeführten dithyrambischen Wettkämpfe neben dem Drama das Hauptfestspiel ab. Diese Wettkämpfe hat Lasos von Hermione (um 507 v. Chr.) eingeführt, der dem D. durch rhythmische und musikalische Neuerungen größere Mannigfaltigkeit gab. Schon früher war der D. aus dem dionysischen Kreis herausgetreten und hatte auch die Verehrung andrer Götter und die Darstellung andrer Mythen in sein Gebiet gezogen. Durch Aufgabe der strophischen Gliederung wurde er Hauptvertreter der freien Komposition. Die bedeutendsten Vertreter dieser Zeit sind Simonides, Pindar und Bakchylides. In der Zeit des Peloponnesischen Krieges erfuhr der D. mancherlei, von den Anhängern des Alten geradezu als Verfall der Kunst betrachtete Neuerungen. Es fand ein fortwährender Wechsel der Rhythmen und Tongeschlechter statt, und die Diktion erhob sich zur äußersten Kühnheit, die leicht in Schwulst und Bombast ausartete. Durch Einfügung von Solopartien in die Chorgesänge und das zunehmende Überwiegen des Musikalischen über den Text wurde der D. allmählich in eine Art Oper umgewandelt. Von der großen Zahl der Dichter sind die namhaftesten Melanippides (um 415), der Urheber der neuen Richtung, Philoxenos (gest. 380) und Timotheos (gest. 357). Von der ganzen Gattung sind außer fünf verstümmelten Dithyramben des Bakchylides nur wenige Fragmente (in Bergks »Poetae lyrici graeci«) erhalten. Dithyrambischen Charakter haben unter den Dichtungen der Neuern Schillers »D.«, Goethes »Wanderers Sturmlied« und »Harzreise im Winter«. Übrigens wurde der D. auch personifiziert und erscheint als Begleiter des Dionysos auf Vasenbildern.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 61.
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