Ekstāse

[586] Ekstāse (griech. Ekstăsis, »Verzückung«) ist ein höherer Grad von Begeisterung, in dem sich der Mensch einem Gefühl so unumschränkt überlaßt, daß die Klarheit des Verstandes verdunkelt und die Freiheit des Willens beschränkt wird (s. Entzücken). Als eine schon den alten Naturreligionen eigne, auch die rohern Anfänge des hebräischen Prophetentums noch bezeichnende Form der religiösen Begeisterung ist die E. mit dem Enthusiasmus (s. d.) verwandt. Auf eine Theorie wurde die E. (unter der Platonischen Voraussetzung, daß der Leib der Kerker der Seele und das Hemmnis für das Anschauen der reinen, göttlichen Wahrheit ist) von Philon (s. d.) und den Neuplatonikern gebracht, die in einer selbst das reine Denken hinter sich lassenden, das Bewußtsein geradezu aufhebenden Versenkung in die Ruhe des Absoluten die höchste Stufe der Erkenntnis, das eigentliche Ziel des menschenwürdigen Daseins fanden. Jesu, in dessen Leben nur Visionen zuweilen eingegriffen zu haben scheinen, wird eigentliche E. höchstens vom Unverstand seiner Verwandten nachgesagt (Mark. 3, 21); dagegen kommen neben Visionen eigentliche Ekstasen beim Apostel Paulus vor (2. Kor. 5, 13; 12, 2–4), dessen nervöses, zur Epilepsie neigendes (2. Kor. 4, 7; Gal. 4, 13. 14) Naturell hierfür prädisponiert war. Anknüpfend an den Neuplatonismus haben dann die Mystiker des Mittelalters die E. als zeitweiliges Absterben für alle irdischen, leiblichen, zeitlichen Beziehungen in den Dienst der mönchischen Devotion genommen und auf eine wissenschaftliche Methode gebracht. Johannes von Ruysbroek heißt Doctor ecstaticus. Ekstatiker, begeisterter Prediger, Wahrsager; ekstatisch, in E. befindlich; ekstasieren, in E. versetzen, entzücken. Vgl. Th. Achelis, Die E. in ihrer kulturellen Bedeutung (Berl. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 586.
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