Flaubert

[666] Flaubert (spr. slobǟr), Gustave, franz. Romanschriftsteller, geb. 12. Dez. 1821 in Rouen, gest. daselbst 7. Mai 1880, Sohn eines angesehenen und vermögenden Arztes, studierte anfangs ebenfalls Medizin, ging dann aber, seiner Neigung folgend, zur Literatur über und verlegte sich mit Eifer auf poetische Arbeiten, wobei ihm besonders Victor Hugo und Byron zum Vorbild dienten. Dieser romantischen Richtung später entsagend, wandte er sich der entgegengesetzten Seite zu, indem er nun das wirkliche Leben auf das sorgfältigste darzustellen suchte. Ein Ergebnis dieser Bestrebungen war der Roman »Madame Bovary« (1857; deutsch von Ettlinger, 2. Aufl., Dresd. 1902, und von Feustel, Halle 1896), der als bahnbrechend für die naturalistische Schule der Goncourt, Zola etc. bezeichnet werden muß. Es ist die lamentable Geschichte einer »Unverstandenen« der Provinz, die der Dichter mit unerbittlicher Naturtreue, überlegener Kälte und in streng gefeilter Sprache erzählt. Bald darauf machte F. eine Reise nach Tunis, wo er die Anregung und den Stoff zu dem historisch-archäologischen Roman »Salammbô« (1862; deutsch, Frankf. a. M. 1863; von Kuhn, Dresd. 1900; auch in Reclams Universal-Bibliothek) empfing. Gegenstand desselben ist der Aufstand der Mietstruppen gegen Karthago zur Zeit Hamilkars, des Vaters von Hannibal, und das Ganze eine Schilderung des innern und äußern Wesens der alten Punierstadt, mit glänzender Pracht entworfen, aber doch ohne wirkliches Leben. Späterhin erschienen: »L'éducation sentimentale. Histoire d'un jeune homme« (1869), ein noch trostloserer Roman als »Madame Bovary«, der auf das Publikum einen geradezu unheimlichen Eindruck machte; »La tentation de saint Antoine« (1874; deutsch von Endrulat, Straßb. 1874), ein geistreiches, aber ermüdendes philosophisch-kulturgeschichtliches Phantasiestück; endlich drei sauber ausgeführte Novellen: »Trois contes« (1877). Ein politisches Schauspiel von F.: »Le Candidat«, war auf dem Vaudevilletheater 1874 ohne allen Erfolg vorübergegangen. Durch diese wiederholten Enttäuschungen verbittert, auch vom Gang der politischen Dinge niedergedrückt, zog sich F., der an epileptischen Anfällen litt, in die Einsamkeit auf sein Landhaus Croisset, unweit Rouen, zurück (dasselbe, das einst der Abbé Prévost bewohnte) und schrieb noch den menschenfeindlichen und unerquicklichen satirischen Roman »Bouvard et Pécuchet« (1881). In Rouen wurde ihm 1890 ein Denkmal errichtet. Eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien 1885 in 8 Bänden. Nach seinem Tod erschienen noch seine Briefe an George Sand (4. Aufl. 1889) und seine »Correspondance«, die Zeit von 1830–80 umfassend (1887–1893, 4 Bde.). Vgl. Mignot, Ernest Chevalier. Son intimité avec Gust. F. (Briefe Flauberts, Par. 1888); Tarver, G. F. as seen in bis works, etc. (Lond. 1895); E. Faguet, Flaubert (Par. 1899); ten Brink, Gustave F. (Haag 1901); Christensen, Gust. F. (Kopenh. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 666.
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