Giolitti

[854] Giolitti (spr. dscho-), Giovanni, ital. Staatsmann, geb. 1844 in der Provinz Cuneo, studierte die Rechte und ward 1866 zum Staatsanwaltsgehilfen ernannt, bald darauf aber ins Justiz- und unter Sella ins Finanzministerium berufen. Unter Depretis zum Staatsrat ernannt, wurde er 1882 in die Deputiertenkammer gewählt, wo er besonders die Finanzpolitik Maglianis bekämpfte. Im März 1889 wurde G. unter Crispi Minister des Schatzes, im September 1890 übernahm er auch die Leitung der Finanzen, trat aber schon im Dezember wegen Zwistes mit dem Bautenminister Finali von beiden Posten zurück. Er trug dann im Januar 1891 zu dem Sturz Crispis bei und war im Mai 1892 hauptsächlich bei den Debatten beteiligt, welche die Niederlage des Ministeriums di Rudini herbeiführten. Nach dessen Rücktritt (5. Mai) wurde G. mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt, in dem er selbst den Vorsitz und das Innere übernahm. Da die Kammer dieser Regierung, die vor allem die Ordnung der Finanzen auf ihr Programm setzte, feindlich gegenübertrat, reichte G. schon 27. Mai seine Entlassung ein, die jedoch der König ablehnte. Darauf löste er 12. Okt. die Kammer auf und trug bei den Neuwahlen im November einen glänzenden Sieg davon. Das Budget suchte er zunächst ohne neue Steuern mittels einer Veränderung in bezug auf die Pensionszahlungen ins Gleichgewicht zu bringen; aber die finanziellen Schwierigkeiten hörten nicht auf, zumal von Paris aus der italienische Kredit fortwährend angegriffen wurde. 1893 erschütterten die Zettelbankskandale die Stellung des Ministeriums; da der Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission G. und mehrere seiner Kollegen kompromittierte, reichte G. 24. Nov. 1893 seine Entlassung ein. Im Februar 1901 verbündete er sich mit Zanardelli und übernahm in dessen Kabinett das Ministerium des Innern, reichte aber im Juni 1903, als die parlamentarische Stellung des Kabinetts durch den Abfall eines Teiles der Linken erschüttert war, seine Entlassung ein. Nach seinem Austritt behauptete sich das neugebildete Kabinett Zanardelli nur noch wenige Monate, und nachdem es 21. Okt. zurückgetreten war, wurde G. mit der Bildung des neuen Ministeriums beauftragt, in dem er außer dem Vorsitz wiederum das Innere übernahm.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 854.
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