Handwerkskammern

[766] Handwerkskammern, Organe zur Vertretung der Interessen des Handwerks. Die Forderung der Errichtung eigner H. fand sich schon in dem vom Frankfurter Handwerkerparlament aufgestellten Entwurf einer Gewerbeordnung. Sie ist seitdem noch oft und immer dringlicher erhoben worden; denn die Handwerker glaubten in den Handels- und Gewerbekammern (so auch in den in Preußen ins Leben gerufenen Gewerberäten) ihre besondern Interessen nicht genügend gewahrt. Diese Forderung wurde in dem sogen. Handwerkergesetz, einer Novelle zur Reichsgewerbeordnung vom 26. Juli 1897 (Gewerbeordnung, § 103–103 q), befriedigt. Nach diesem Gesetz werden zur Vertretung der Interessen des Handwerks gegenüber der Regierung H. errichtet, welche die Landesregierung für einen von ihr zu bestimmenden Bezirk, und zwar eventuell mit Abteilungen für einzelne Teile des Bezirks oder für Gewerbegruppen errichtet. Die Zahl der Mitglieder wird durch das von der Landeszentralbehörde zu erlassende Statut bestimmt; die Wahlen zu den Kammern und ihren Organen finden alle sechs Jahre statt, alle drei Jahre scheidet die Hälfte der Gewählten aus. Die Mitglieder werden 1) von den Innungen (s. d.) aus der Zahl der Mitglieder, 2) von den sonstigen dem Handwerkerinteresse dienenden Vereinigungen (Gewerbevereinen), wenn sie mindestens zur Hälfte aus Handwerkern bestehen, aus der Zahl ihrer Mitglieder gewählt. Ihre Organe sind die Mitgliederversammlung, Vorstand, [766] Sekretär, Gesellenausschuß und eventuell andre Ausschüsse, die alle unter der Aussicht eines staatlichen Kommissars stehen. Der Gesellenausschuß (s. Gesellenausschüsse) hat mitzuwirken bei Vorschriften über Lehrlingswesen, Gutachten und Berichterstattung über Angelegenheiten, die Gesellen und Lehrlinge berühren, und bei Entscheidung über Beanstandungen von Beschlüssen der Innungsausschüsse. Die Kammern können sich durch Zuwahl von Sachverständigen verstärken, wie anderseits ihre Funktionen schon bestehenden Handels- oder Gewerbekammern übertragen werden können, sofern deren Mitglieder, soweit sie mit Vertretung des Handwerks betraut sind, aus Wahlen von Handwerkern hervorgehen und eine gesonderte Abstimmung der dem Handwerk angehörenden Mitglieder gesichert ist. Den Handwerkskammern liegt insbes. die nähere Regelung des Lehrlingswesens und die Überwachung der Durchführung der für das Lehrlingswesen geltenden Vorschriften ob; sie sind ferner befugt, Veranstaltungen zur Förderung der gewerblichen, technischen und sittlichen Ausbildung der Meister, Gesellen und Lehrlinge zu treffen sowie Fachschulen zu errichten und zu unterstützen. Innungen und Innungsausschüsse sind den Anordnungen der Kammern unterworfen, die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Kammern haben, soweit sie nicht anderweit Deckung finden, die Gemeinden oder höhern Gemeindeverbände zu tragen, die ihre Anteile auf die Handwerksbetriebe umlegen dürfen. Seit 1. April 1900, dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes, sind in Preußen 33, Bayern 8, Württemberg und Baden je 4, in den übrigen deutschen Staaten mit Ausnahme von Sachsen, Bremen, Hamburg und Lübeck, welche Rechte und Pflichten der H. auf die bestehenden Gewerbekammern übertragen haben, je eine errichtet worden. Vgl. Huber, Die Handwerkskammer (Stuttg. 1897); Rohmer, Die Handwerkernovelle (Münch. 1898); Wilhelmi, Das Handwerkergesetz vom 26. Juli 1897 (Berl. 1902); weiter Ausgaben des Gesetzes von Bernewitz, v. Rohrscheidt u. a.; Pape, Die praktische Durchführung der Handwerkernovelle vom 26. Juli 1897 (Leipz. 1902); Neuhaus, Die H., ihre Organisation etc. (das. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 766-767.
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