Helĭanthus

[138] Helĭanthus L. (Sonnenblume, Sonnenrose), Gattung der Kompositen, einjährige oder ausdauernde, meist hohe, rauh- oder steifhaarige Kräuter mit gegen- oder wechselständigen, gestielten, ganzrandigen oder gesägten Blättern, einzeln endständigen oder in lockern Ebensträußen gruppierten, meist großen oder sehr großen Blütenköpfen, schwach zusammengedrückten Früchten und einem aus zwei spreuartigen Blättchen oder Grannen bestehenden, leicht abfallenden Pappus. Etwa 55 meist nordamerikanische Arten, einige in Mittelamerika, wenige in Peru. H. tuberosus L. (Topinambur, Erdmandel, Grund- oder Erdbirne, Erdapfel, Jerusalem- oder Erdartischocke, s. Tafel »Futterpflanzen I«, Fig. 9) hat einen 2,5–3,75 m hohen, meist nicht verästelten, blattreichen Stengel, gegenständige, herz-eiförmige Blätter und aufrechte dottergelbe Blütenköpfe bis 8 cm im Durchmesser, die bei uns nur in warmen Herbsten zur Entwickelung kommen. Die Topinambur stammt aus den Vereinigten Staaten oder Kanada, wo sie bereits bei den Eingebornen in Kultur gefunden wurde, kam 1617 nach England, nach dem Dreißigjährigen Kriege nach Deutschland und wurde wegen ihrer ovalen, äußerlich rötlichen, innen weißen, an einer Seite etwas spitz zulaufenden Knollen als Viehfutter kultiviert, während des 18. Jahrh. aber von der Kartoffel verdrängt. Sie gedeiht allgemein im Kartoffelland, aber auch noch in leichterm Boden und in dumpfen Lagen. Die höchsten Erträge bringt sie in mildem Lehmboden. Stengel und Blätter geben schätzenswertes Futter zu einer Zeit, in der andres Grünfutter zu fehlen beginnt. Die Kultur gleicht im allgemeinen der Kartoffelkultur, ist aber einfacher, billiger, und die Knollen können über Winter im Boden bleiben und nach Bedarf herausgenommen werden. Der Ertrag kommt im allgemeinen dem der Kartoffeln ziemlich nahe, und wenn der Futterwert auch um 20 Proz. geringer ist, so wird dieser Ausfall durch den Stengelertrag gedeckt (60 und 120 Ztr. vom Hektar). Die Topinambur würde häufiger kultiviert werden, wenn sie besser in die Fruchtfolge paßte und nicht durch zwei Nachfrüchte aus dem Boden entfernt werden müßte. Die Knollen enthalten 14,7 Proz. Zucker, 3,1 Proteinstoffe, 1,9 Inulin, 1,1 Pektinstoffe, 0,2 Proz. Fett, 1,5 Proz. Zellulose, 1,3 Proz. Mineralstoffe und 76 Proz. Wasser. Auch zur Spiritusbereitung ist Topinambur benutzt worden. Die Knollen geben einen um die Hälfte größern Gehalt an Trockensubstanz und Zucker als Runkelrüben und hinterlassen 50 Proz. Futter. In neuester Zeit bindet man den Flugsand mit Topinambur. Vgl. Charanel, Le Topinambur (Par. 1898). H. annuus L. (Sonnenblume, Sonnenrose), bis 4 m hoch, mit meist einfachem Stengel, gestielten, herzförmigen, gesägten, rauhen Blättern, großen, nickenden Blütenköpfen von mehr als 30, selbst 50 cm Durchmesser, gelben Rand- und braunen Scheibenblüten und schwarzen, grauen oder weißen Früchten, eine einjährige Pflanze, vermutlich aus Mexiko, wird namentlich in Rußland und Ungarn als Ölpflanze, in Holland, im südlichen Frankreich, im Pandschab, in Südrußland, bei Washington, auf Martinique, hier und da auch bei uns auf sumpfigem Boden zur Verbesserung des Klimas, namentlich zur Bekämpfung des Wechselfiebers gebaut. Sie verlangt etwas bindigen, kräftigen Boden und entwickelt sich besonders aus frisch eingeführten Samen sehr kräftig. Die jungen Knospen der Pflanze dienen als Gemüse, die Stengel als Brennmaterial und zur Gewinnung von Pottasche (sie saugt das Land stark aus); die Blätter geben gutes Viehfutter, die Blüten liefern den Bienen reichlich Honig; die Früchte (über 2000 in einem Blütenkopf) bilden gutes Mastfutter für Geflügel, werden aber besonders zur Gewinnung von Öl benutzt. Die Ölkuchen bilden treffliches Viehfutter. Die Samen können wie Mandeln benutzt werden, und in Amerika verbäckt man sie zu Brot. Die Sonnenblume wurde gegen Ende des 16. Jahrh. in Europa bekannt und erregte schnell großes Aufsehen, besonders auch durch ihren Heliotropismus (s. Pflanzenbewegungen). Mit Bezug auf diesen erschien sie vielfach als Wappen- oder Siegelblume, als Zeichen lehnspflichtiger Ritterschaft, treuer Anhänglichkeit etc. Man kultiviert sie in mehreren Varietäten als Zierpflanze, ebenso einige andre Arten, wie die dicht seidenartig silberweiß filzige H. argyrophyllus Gray, die ausdauernden H. multiflorus L. und orgyalis DC., beide aus Nordamerika, und die einjährige H. debilis Nutt. var. cucumerifolius Torr. et Gray aus Texas und den westlich gelegenen Ländern in zahlreichen Varietäten und Hybriden. Vgl. Friedrich, Die Sonnenblume (Leipz. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 138.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika