Itô

[114] Itô, Hirobumi, Marquis, japan. Staatsmann, geb. 1840 in Chôshû als Sohn eines Samurai, studierte in Nagasaki Holländisch und Englisch, war 1861–63 in England und suchte nach seiner Rückkehr 1864 mit Inouye (s. d.) zwischen dem Chôshû-Clan und der feindlichen Flotte vor Shimonoseki zu vermitteln. 1870 ging er nach Amerika, um das dortige Münzwesen zu studieren, worauf 1871 die Münze in Osaka errichtet wurde; auch veranlaßte er nebst Okubo die Erbauung der ersten Eisenbahnlinie in Japan zwischen Tokio und Yokohama. 1872 begleitete er Iwakura (s. d.) nach Amerika und Europa; nach seiner Rückkehr 1873 wirkte er nebst Kido, Okubo, Itagaki und Gôtô für die Einführung eines konstitutionellen Regierungssystems in Japan. 1878 wurde er Minister des Innern und ging darauf 1882 nach Berlin, um die preußische Verfassung zu studieren. 1885 in den Grafenstand erhoben, übernahm er im Dezember 1886 die Ministerpräsidentschaft, die er im März 1888 an Kuroda abgab. I. ist der geistige Urheber der am 11. Febr. 1889 veröffentlichten und 1890 in Kraft getretenen japanischen Verfassung, bei der ihm in allen wesentlichen Zügen die preußische Verfassung[114] zum Vorbilde diente, und zu der er einen ausführlichen Kommentar schrieb. 1890 ernannte ihn der Kaiser zum Präsidenten des Oberhauses, 1891 zu dem des Staatsrates (Sumitsu-in). Vom August 1892 bis August 1896 war er Präsident des Ministeriums. Während dieser 4 Jahre hat Japan die Vertragsrevision mit England vereinbart, den Krieg mit China siegreich durchgeführt, den Frieden von Simonoseki geschlossen und nach Wiederabtretung der Halbinsel Liaotung die Insel Formosa seinem Reich einverleibt. Ja Anerkennung dieser Erfolge wurde I. vom Kaiser zum Marquis erhoben. Auch nach Aufgabe seiner offiziellen Stellung blieb er durch Einfluß auf den Kaiser und sein gutes Verhältnis zu fast allen Politikern der hervorragendste Staatsmann Japans. Doch gelang es ihm nicht, als er im Januar 1898 die Leitung der Geschäfte wieder übernahm, die Finanzreform seines Freundes Inouye durchzusetzen. Er dankte deshalb im Juni ab und reiste nach China, wo ihn die radikale Reformpartei als Stütze ihres Einflusses am Kaiserhofe zu benutzen suchte. Wegen der parlamentarischen Verwickelungen in Japan plötzlich zur Beratung seines eignen Souveräns heimberufen, unterstützte er nach dem Rücktritt des parlamentarischen Ministeriums Okuma vom November 1898 an die Politik des Ministeriums Yamagata. Im Sommer 1900 überraschte er seine Freunde durch die Gründung einer neuen Partei, der »Rikken Seiyu kai« (»Verein verfassungstreuer politischer Freunde«), für die er die Mehrzahl der Abgeordneten unter Führung des berüchtigten Hoshi Toru gewann. Er trat als anerkanntes Haupt dieser Partei im Oktober 1900 wieder an die Spitze eines neugebildeten Ministeriums, erkaufte aber die Gefolgschaft einer gefügigen Majorität im Unterhause mit der Abneigung des Oberhauses gegen eine solche Parteiregierung. Krankheit verhinderte ihn, die Streitigkeiten zwischen dem Finanzminister Vicomte Watanabe und seinen übrigen Kollegen zu schlichten. Er nahm deshalb im Mai 1901 seine Demission, trat im September seine fünfte Reise nach Europa an und arbeitete nach dem Besuche von St. Petersburg und Berlin in London für das Zustandekommen des englisch-japanischen Bündnisvertrags vom 30. Jan. 1902. Als nach seiner Heimkehr seine überragende Stellung als Berater des Kaisers und Parteihaupt im Parlament sich zu stark geltend machte, legte er die Leitung der Seiyu kai in die Hände des Marquis Saionji. In dem reaktivierten Staatsrat der Alten hat er die gewichtigste Stimme. Sein Erscheinen in Seoul zum Vortrag beim Kaiser von Korea 17. März 1904 war die Einleitung des japanisch-koreanischen Bündnisses.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 114-115.
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