Kandāhar

[555] Kandāhar, Provinz im südöstlichen Afghanistan, südlich von Kabul (s. Karte »Zentralasien«), im N. von den Ausläufern des Pagmangebirges erfüllt, vom Hilmend mit Argendab, Tarnak u. a. durchzogen und zwischen den Tälern des Gebirges fruchtbar, im Südwesten aber, nach Belutschistan hin, Wüste. Das Klima ist mild, der Winter aber noch rauh. Hauptfeldfrucht ist Weizen, doch nur in den Tälern; die Gehänge und Hoch ebenen werden von nomadisierenden Afghanen aus Ghasni mit großen Herden von Kamelen und Schafen abgeweidet. Die seßhafte Bevölkerung (Afghanen, gemischt mit Tadschik u. Hindu) wird auf 900,000 Seelen geschätzt; Religion ist der Islam. Eingeteilt wird die Provinz in die Kreise K., Girischk und Kelati Ghildschi. K. ist das Arochosien der Alten und bildete bis 1839 ein selbständiges Chanat. – Die Hauptstadt K. liegt 1055 m ü. M., 340 km südwestlich von Kabul, in einer fruchtbaren und bevölkerten Ebene, zwischen den Flüssen Argendab und Tarnak, Endpunkt der Sind-Pischin-Bahn, ist sehr regelmäßig gebaut, von einem befestigten Erdwall umgeben, neuerdings durch Außenwerke verstärkt mit sechs Toren und einer Zitadelle. Die Zahl der Einwohner wird auf 25–50,000 Seelen geschätzt. Hauptprodukte sind Seidenstoffe u. Filz, in der Umgegend starker Wein- und Obstbau. Der Handel mit Persien ist sehr lebhaft; die Ausfuhr nach Britisch-Indien (Wolle, Früchte und Nüsse) betrug 1900–01: 3,532,810, die Einfuhr von dort (zu zwei Drittel Baumwollwaren) 2,143,160 Rupien. Die Stadt ist wahrscheinlich das alte Alexandreia Arachoton, das Alexander d. Gr. 329 v. Chr. gründete. Sie wurde in der Folge wiederholt erobert und zerstört, so 1383 von Timur, 1508 von Baber, 1620 von Schah Abbas I., 1660 von Abbas II. und 1738 von Nadir Schah, der dicht daneben eine neue Stadt anlegen ließ, die als Hauptstadt galt, bis Timur Schah seine Residenz nach Kabul verlegte. Über die weitere Geschichte s. Afghanistan.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 555.
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