Karpfen [2]

[675] Karpfen (Cyprinus Nilss.), Gattung aus der Familie der K. (s. oben), länglich-eirunde, seitlich zusammengedrückte Fische mit großen Schuppen, langer Rückenflosse mit knöchernem, gesägtrandigem Stachel, endständigem Maul, vier Barteln an der Oberkinnlade u. fünf dreireihig gestellten Schlundzähnen. Der gemeine K. (Teich-, Flußkarpfen, C. carpio L., s. Tafel »Teichfischerei«, Fig. 7), bis 1,5 m lang und bis 35 kg schwer, mit weitem Maul, dicken Lippen, starken und langen Barteln, tief halbmondförmig ausgeschnittener Schwanzflosse, goldgelb, ins Blaugrüne spielend, mit meist grauem Rücken und grauen, oft rötlich angeflogenen Flossen, in Gestalt, Beschuppung und Färbung aber stark wechselnd (gewöhnlicher oder Schuppenkarpfen, Spiegelkarpfen oder Karpfenkönig mit wenigen, unverhältnismäßig großen Schuppen [Fig. 11], Lederkarpfen, fast schuppenlos, Goldkarpfen mit rotgoldigen Schuppen), lebt in seichten, schlammigen Teichen oder Seen, ruhig fließenden Gewässern mit schlammigem Grund, findet sich wohl ursprünglich in Mittelasien, im Schwarzen und Kaspischen Meer und deren Zuflüssen, im Adriatischen Meer bei Comacchio, auch in den Flüssen Nordasiens und Chinas, wurde aber schon durch die Römer nach Südeuropa gebracht und im Mittelalter durch die Klöster über den größten Teil von Europa verbreitet, z. B. nach England im 15. Jahrh., nach Altpreußen gegen die Mitte des 18. Jahrh., und in neuerer Zeit auch in Nordamerika, Australien und auf Java eingebürgert. Er nährt sich von allerlei kleinen Tieren und tierischen Abfällen, mehligen Samen, jungen Trieben von Wasserpflanzen und faulenden Pflanzenstoffen, durchwühlt den Schlamm und verschluckt dabei auch erdige Bestandteile. In der kalten Jahreszeit frißt der K. nicht und verfällt in Lethargie. Zur Laichzeit (Mai bis August) entwickeln sich beim Männchen auf dem Scheitel, den Wangen und Kiemendeckeln viele kleine, weißliche Warzen; der K. steigt dann in den Flüssen aufwärts, und das Weibchen, gewöhnlich von mehreren Männchen begleitet, laicht an seichten, dicht bewachsenen Stellen. Die Zahl der im Laufe von mehreren Tagen oder Wochen abgelegten Eier beträgt oft über 600,000, die Fortpflanzung aber ist in freien Gewässern bei uns äußerst gering, da die junge Brut von andern Fischen gefressen wird. Die jungen K. werden im ersten Jahre 8–12, im zweiten bis 30 cm und mehr lang und im dritten Jahre fortpflanzungsfähig. Manche K. bleiben steril und zeichnen sich dann durch besondere Güte des Fleisches aus. Der Schuppenkarpfen ist widerstandsfähiger, überwintert leichter,[675] ist weniger Krankheiten ausgesetzt, gedeiht auch in kalten, weniger Nahrung bietenden Gewässern und erträgt auch leichter den Transport als der Spiegel- und Lederkarpfen. Er erreicht ein sehr hohes Alter (angeblich über 200 Jahre). Den größten Wert verleiht dem K. die Leichtigkeit, mit der er sich in Teichen züchten läßt. In den Teichen gewöhnt sich der K., auf das Läuten einer Glocke oder auf einen gewissen Pfiff zur Futterstelle zu kommen. Er war schon den Griechen und Römern bekannt, wurde aber von ihnen weniger geschätzt als von uns; als Sinnbild der Fruchtbarkeit war er der Venus geheiligt. Er gilt gegenwärtig für einen der feinsten Fische und hat den besten Geschmack im fünften Lebensjahr vom Oktober bis April; in unreinem Wasser nimmt er leicht schlechten Geschmack an. Man züchtet aus wirtschaftlichen Gründen meist K. von 1–2, auch 3 kg. Seine Zählebigkeit begünstigt den Handel; man kann ihn, in feuchtes Moos verpackt, lebend weit versenden. Als die besten K. schätzt man diejenigen aus den Ländern östlich der Elbe und Oder und aus Österreich. Sehr gute K. hat Böhmen, das zum Teil Wien versorgt; die gleichfalls gute schlesische Ware geht bis Berlin; besonders hochgeschätzt sind die K. der Lausitzer Teiche. Königsberg und Danzig senden viele K. nach Rußland; auch Rumänien und Frankreich liefern viele K. Die Galle dient zum Malen und Färben, und die Schwimmblase liefert schlechte Hausenblase. Ein Goldkarpfen (Gigoi) wird in Japan als Zierfisch in Teichen gehalten, aber nicht gegessen; er kommt auch rot und schwarz, weiß und schwarz, ganz weiß, blau und grün gefärbt vor. Mit der Karausche (s. d.) bildet der K. sehr häufig Bastarde: Karpf-, Bastardkarausche (C. Kollarii Heck.). Vgl. Susta, Die Ernährung des K. und seiner Teichgenossen (Stettin 1888); Kintze, Karpfenzucht und Teichbau (Halle 1888); Schilling von Canstatt, Praktische Karpfenzucht (Frankf. a. O. 1888); Burda, Über Karpfenzucht (Berl. 1896); Knauthe, Die Karpfenzucht (Neudamm 1901); Walter, Die Karpfennutzung in kleinen Teichen (2. Aufl., das. 1902); Leonhardt, Die Bastarde der deutschen karpfenähnlichen Fische (das. 1904).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 675-676.
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