Landstände

[128] Landstände hießen im Mittelalter diejenigen Körperschaften, ohne deren Zustimmung die Landesfürsten namentlich in Fragen der Besteuerung nicht zu handeln vermochten. Sie bestanden meist aus der Ritterschaft, den geistlichen Instituten und Städten, über die sich in manchen Territorien (so in Kur-Köln) noch der höhere Adel (Grafen) als selbständiger Stand erhob, während in Süddeutschland, wo die Reichs ritter vorherrschten, eine Ritterschaft zum Teil ganz fehlt. Hervorgegangen ist das Steuerbewilligungsrecht der Stände aus der Pflicht der Vasallen, ihren Lehnsherrn in bestimmten Fällen mit besondern Leistungen zu unterstützen, über als Verfassungskörper treten sie erst im 15. Jahrh. auf, zuerst 1430 in Bayern-München, und haben sich dann in allen Territorien, wenn auch in verschiedener Weise, entwickelt. Die Versammlungen der L. heißen Landtage, bei denen jeder Stand für sich beschließt und dann die Stände sich untereinander vergleichen. Für die Geschichte des innern Lebens in den Territorien sind sowohl die L. als solche als auch ihre Verhandlungen von höchstem Interesse, und deshalb hat die Geschichtsforschung die Entstehung und Entwickelung der L. für einzelne Territorien verfolgt, auch für einige Länder (Jülich-Berg, Preußen, Böhmen, Hessen, Sachsen Ernestinischer Linie) mit der Veröffentlichung der Ständeakten und Landtagsverhandlungen begonnen. Mit der wachsenden Macht des Landesfürstentums und der Entwickelung eines fürstlichen Beamtenstandes sinkt die Macht der L., die in manchen Territorien fast bedeutungslos werden, in andern auch im 18. Jahrh. noch ziemlichen Einfluß auf die Landesverwaltung besitzen. Im Königreich Sachsen haben sie bis zur Einführung der konstitutionellen Verfassung ihre Wirksamkeit geübt, und der Name ist hier wie anderwärts auf die nunmehrige Volksvertretung (s. d.) in zwei Kammern, soweit beide als Einheit zusammengefaßt werden sollen, übergegangen. Vgl. Unger, Geschichte der deutschen L. (Hannov. 1844); Rudhardt, Geschichte der L. in Bayern (Heidelb. 1816, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 128.
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