Metallographie [2]

[677] Metallographie, die Lehre vom innern Aufbau, dem Gefüge der Metalle und Legierungen und dessen[677] Zusammenhang mit den Eigenschaften des Materials. Hauptsächlichstes Hilfsmittel der M. ist das Mikroskop, mit dem man nach geeigneter Behandlung des Metalls oder der Legierung Zahl, Kennzeichen und Mengenverhältnisse der Bestandteile (Gefügebildner) feststellt, aus denen die Legierung sich aufbaut. Die chemische Analyse vermag leicht das Gewichtsverhältnis der die Legierung bildenden chemisch einfachen Körper festzustellen (Bauschanalyse), sie sieht sich aber großen, vielfach bisher noch nicht überwundenen Schwierigkeiten gegenüber, wenn sie als Partialanalyse Ausschluß über den chemischen Aufbau der einzelnen sehr kleinen Gemengteile (Gefügebildner) geben soll. Man benutzt deshalb alle möglichen Verfahren der Trennung und Kennzeichnung dieser Gefügebildner, wie kristallographische Beobachtungen, Ermittelung der chemisch-physikalischen Konstanten (Erstarrungspunkte, elektrische Leitfähigkeit, elektromotorische Kraft, spezifische Wärme, spezifisches Gewicht, Lösungswärme, Festigkeitszahlen, Härte etc.). In einzelnen Fällen ersetzt die M. die chemische Analyse und übertrifft sie an Genauigkeit und Schnelligkeit der Ausführung. Sind auf solche Weise Zahl, Kennzeichen, Mengenverhältnisse sowie die chemisch-physikalische Natur der einzelnen Gefügebildner einer Legierung ermittelt, so ist festzustellen, in welcher Beziehung die obengenannten Faktoren zu den Eigenschaften stehen, die uns die Legierung als Ganzes zeigt, in welcher Weise sie deren Verhalten in ihren verschiedenen Verwendungsarten beeinflussen und wie die Verschiedenheit im Verhalten des Materials unter verschiedenen Umständen aus diesen Faktoren zu erklären ist. Zur mikroskopischen Untersuchung der Metalle und Legierungen werden diese mit ebenen, peinlich sorgfältig polierten Flächen versehen und im auffallenden Licht untersucht. Man hobelt oder feilt eine ebene Fläche an, bearbeitet diese mit Schmirgelpapier, bis kaum noch Schleifrisse erkennbar sind, und dann auf einer rotierenden, mit Tuch bespannten Holzscheibe unter Anwendung von Wasser und feinstem Polierrot. Bei geeigneten Vorrichtungen kann man Abschnitte dünnster Drähte bis hinauf zu 15 mm dicken Profilabschnitten ganzer Schienen und Träger als Probestücke verwenden und unter das Mikroskop bringen. Die polierten Flächen lassen nur selten das Gefüge des Metalls oder der Legierung ohne weiteres erkennen. Poliert man sie aber weiter auf einer mit Wasser befeuchteten Unterlage von weichem Gummi oder Tuch mit einer Spur feinsten Polierrotes unter kaum merkbarem Druck, so erscheinen nach einiger Zeit die härtern Bestandteile im Relief (Reliefpolieren). Ersetzt man das Wasser beim Reliefpolieren durch ein für sich nicht oder nur sehr schwach wirkendes Ätzmittel (Säuren, Salzlösungen), so erscheinen neben dem Relief auch noch Färbungen oder feinere Einzelheiten in gewissen Gefügeelementen (Ätzpolieren). Ebenso können die Anlauffarben zur Unterscheidung von Gefügebestandteilen benutzt werden. Das Erscheinen von Ätzfiguren (s. d.) bei Anwendung von. Ätzmitteln gibt Aufschluß über die kristallinische Beschaffenheit des Materials und über die Abgrenzung der einzelnen Kristalle gegeneinander. Die M. gibt Aufschluß über das Gefüge der Legierungen (s. d.), über das Vorhandensein einer eutektischen Mischung und die Ausscheidung einzelner Bestandteile in Form von Kristallen. Sehr wichtige Aufschlüsse hat die M. in Hinsicht auf die Konstitution des Eisens (s. d., S. 480) gegeben. Sie gestattet, Schweiß- und Flußeisen, elektrolytisch und hüttenmännisch gewonnenes Kupfer zu unterscheiden, läßt Schweißstellen im Eisen erkennen und gestattet Schlüsse auf die Behandlung, die das Eisen erfahren hat. Die ersten Arbeiten auf diesem Gebiet lieferte Sorby 1863, aber erst die Untersuchungen von Martens über die Mikrostruktur von Eisen und Stahl (1878) erregten allgemeinere Aufmerksamkeit. Weitere Förderung erhielt dann die M. durch Tschernoff, Osmond, Wedding, Sauveur, Heyn u. a. Vgl. Jüptner v. Jonstorss, Grundzüge der Siderologie (Leipz. 1902, 2 Tle.); Heyn, Die M. im Dienste der Hüttenkunde (Freiberg 1903) und desselben Verfassers Arbeit über Kupfer und Sauerstoff in der »Zeitschrift für anorganische Chemie«, 1904; Bauer, Die M. (in der Zeitschrift »Baumaterialienkunde«, 1904); »The Metallographist« (Boston, seit 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 677-678.
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