Patkul

[504] Patkul, Johann Reinhold von, livländ. Staatsmann, geb. 1660 in Stockholm im Gefängnis, wohin seine Mutter ihren Gatten, einen livländischen Staatsgefangenen, begleitet hatte, trat 1687 in schwedische Kriegsdienste und war 1690 Mitglied der livländischen Deputation, die von Karl XI. die Rechte und Privilegien des livländischen Adels zurückverlangte. P. tat dies mit solcher Freimütigkeit, daß Karl XI. seit jener Zeit einen glühenden Haß gegen ihn faßte, der noch gesteigert wurde, als dieser 1692 einen auf dem Landtag zu Wenden angenommenen Protestantrag verfaßte. P. ward deshalb 1694 nach Stockholm gerufen und zum Verlust der rechten Hand und seiner Güter verurteilt, war aber vor Ausgang des Prozesses geflüchtet. Er trat 1698, nachdem die bei Karl XII. nachgesuchte Zurücknahme des Urteils abgeschlagen worden war, in polnische Dienste. Augusts des Starken Plan, in Verbindung mit Rußland und Dänemark Schweden zu bekriegen und Livland wieder für Polen zu gewinnen, bot P. einen willkommenen Anlaß zur Rache. Seiner diplomatischen Gewandtheit gelang zu Moskau die Zustandebringung der Allianz zwischen Sachsen, Polen und Rußland. Er trat 1701 in russische Dienste und wurde 1703 als russischer Gesandter an den sächsisch-polnischen Hof nach Warschau geschickt. Als er aber gegen August II. das Interesse Rußlands rücksichtslos vertrat, ward er 20. Dez. 1705 verhaftet. Im Frieden von Altranstädt erzwang Karl XII. Patkuls Auslieferung von August II., die am 7. April 1707 erfolgte. Er wurde hierauf beim Kloster Kasimierz, 8 Meilen von Posen, 10. Okt. 1707 als Landesverräter gerädert und dann geviertelt. Erst 1713 wurden seine Gebeine in Warschau beigesetzt. Vgl. »J. R. v. Patkuls Berichte an das zarische Kabinett zu Moskau etc.« (Berl. 1792–1797); Wernich, Der Livländer Joh. Reinh. P. und seine Zeitgenossen (Bd. 1, das. 1849); Sjögren, Joh. Reinh. P. (schwed., Stockh. 1882); Buchholtz, Beiträge zur Lebensgeschichte J. R. Patkuls (Leipz. 1893). Mehrere neuere Dichter, darunter Gutzkow, haben Patkuls Schicksal in Tragödien behandelt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 504.
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