Pindăros

[889] Pindăros (Pindar), lyrischer Dichter der Griechen, geb. 522 v. Chr. in Kynoskephalä bei Theben, aus altadligem Geschlecht, gest. um 448 in Argos, war vom 20. Jahr an bis in sein hohes Alter dichterisch tätig. Meist lebte er in Theben, wegen seiner Kunst weit und breit berühmt und geehrt, auch von Fürsten, wie Alexander von Mazedonien, den Aleuaden in Thessalien, Arkesilas von Kyrene, Theron von Agrigent und Hieron von Syrakus, an dessen Hof er 476–472 lebte. Als besonderer Liebling Apollons hatte er im delphischen Tempel einen eignen Sessel und wurde zu den Theoxenien regelmäßig dorthin eingeladen. Die Athener erteilten ihm für die Verherrlichung ihrer Stadt eine Ehrengabe von 10,000 Drachmen und die Proxenie und errichteten ihm eine eherne Bildsäule. Er starb im Theater eines sanften Todes. Seinem Andenken zu Ehren soll Alexander d. Gr. bei Thebens Zerstörung sein Haus allein verschont haben. Er verachtete die rein gewerbsmäßige Lyrik und führte auch gelegentlich für eigne Kosten einen Chor auf. Sein frommer Sinn verleiht auch den weltlichen Liedern ein geistliches Gepräge. Seine Dichtungen, welche die alexandrinischen Gelehrten in 17 Bücher teilten, bewegten sich in den verschiedenartigsten Formen der chorischen Lyrik: Hymnen, Päanen, Dithyramben, Parthenien, Enkomien, Hyporchemata, Threnodien, Skolien und Epinikien. Außer Bruchstücken sind fast vollständig nur die 4 Bücher Siegeslieder (Epinikien) erhalten, die Sieger in den großen nationalen Festspielen verherrlichen: 14 olympische, 12 pythische, 11 nemeïsche und 8 isthmische. Diese auf Bestellung seiner adligen Standesgenossen gedichteten und zur Ausführung durch Festchöre komponierten Gesänge sind trotz ihres konventionellen Anlasses von P. mit edelster Kunst ausgestaltet; sie preisen den Sieg nicht durch eine eingehende Beschreibung, sondern den persönlichen Verhältnissen des Siegers und der Art seines Sieges entnimmt P. einen Hauptgedanken, den er nach kunstvollem, freilich oft durch Nebengedanken und Einflechtung passender Mythen verdunkeltem Plan durchführt. Das kleinste wie das größte Gedicht ist ein durch Harmonie von Inhalt und Form in sich abgeschlossenes Kunstwerk; mit einer bestimmten Ausnahme hat jedes eine besondere metrische Form, der auch eine besondere Melodie entsprach; gerade auch die Melodien des P. waren im Altertum hochgeschätzt. Der Charakter der Pindarischen Dichtung ist Großartigkeit und Erhabenheit in Gedanken, Ausdruck und Metrum und tiefe, warme Religiosität. Wortschatz und Dialekt beruhen auf Homerischer Grundlage, sind aber mit dorischen und äolischen Formen stark gemischt. Neuere Ausgaben von Böckh (Leipz. 1811–22, 3 Bde., mit Scholien und Kommentar), Dissen (Gotha 1830, 2 Bde.; 2. Aufl. von Schneidewin, unvollendet, das. 1843–47), T. Mommsen (Berl. 1864, 2 Bde.), Bergk (Bd. 1 der »Poetae lyrici graeci«, 5. Aufl. von Schröder, Leipz. 1900), Christ (Berl. 1896); deutscher Kommentar von Mezger (Leipz. 1880); Übersetzungen von Thiersch (mit griech. Text, das. 1820, 2 Bde.), Hartung (desgl., das. 1855–56, 4 Tle.), T. Mommsen (das. 1846), Donner (das. 1860), M. Schmidt (»Olympische Siegesgesänge« mit Text, Jena 1869). Neue Ausgabe der Scholien begonnen von Abel (Berl. 1884); »Lexicon Pindaricum« von Rumpel (Leipz. 1883). Vgl. L. Schmidt, Pindars Leben und Dichtung (Bonn 1862); Lübbert, Pindars Leben und Dichtungen (das. 1878 u. 1882); Croiset, La poésie de Pindare et les lois du lyrisme grec (3. Aufl., Par. 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 889.
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