Böckh

[111] Böckh, 1) Christian Friedrich von, bad. Staatsmann, geb. 13. Aug. 1777 in Karlsruhe, gest. daselbst 21. Dez. 1855, studierte, nachdem er sich 1792 bis 1798 als Schreiber seinen Unterhalt erworben und dann noch das Gymnasium besucht hatte, 1799–1802 Cameralia und trat in den badischen Staatsdienst. Vom Direktor der Oberrechnungskammer (1820) ward er 1821 Staatsrat und provisorisch, 1824 endgültig Chef des Finanzministeriums und 14. Mai 1828 Finanzminister. Als solcher brachte er den Staatshaushalt in beste Ordnung, machte sich durch das Gesetz über die Zehntablösung volkstümlich, zerfiel aber schließlich doch mit den Liberalen. Nachdem er 1844 das Departement der Finanzen aufgegeben, übernahm er als Nachfolger Blittersdorfss (s.d. 2) die Leitung des Ministeriums, wurde aber schon im März 1846 pensioniert.

2) Philipp August, Philolog, Bruder des vorigen, geb. 24. Nov. 1785 in Karlsruhe, gest. 3. Aug. 1867 in Berlin, vorgebildet in seiner Vaterstadt, studierte seit 1803 unter Wolf in Halle, trat 1806 durch Schleiermachers Vermittelung ins pädagogische Seminar zu Berlin und wurde 1807 außerordentlicher, 1809 ordentlicher Professor der Philologie in Heidelberg, 1811 in Berlin, daneben 1812 Direktor des[111] philologischen und 1819 auch des pädagogischen Seminars. B. suchte einer höhern Auffassung der Philologie Geltung zu verschaffen, nach der diese in der umfassenden Kenntnis des Altertums in seiner Gesamtheit besteht, und betonte der mehr formalen G. Hermannschen Schule gegenüber die materielle Seite seiner Wissenschaft. Seine Hauptwerke sind: »Die Staatshaushaltung der Athener« (Berl. 1817, 2 Bde., mehrfach übersetzt; 2. Aufl. 1851, erweitert durch Bd. 3: »Urkunden über das Seewesen des attischen Staats«, 1840; 3. Ausg. von Fränkel, 1886, 2 Bde.); »Metrologische Untersuchungen über Gewichte, Münzfüße und Maße des Altertums« (das. 1838); »Die Ausgabe des Pindar« (Leipz. 1811–21, 4 Tle.), durch die mit der im 2. Teil enthaltenen Abhandlung »De metris Pindari libri III« die heutige wissenschaftliche Metrik begründet wurde; das »Corpus inscriptionum graecarum« (Berl. 1828–77, 4 Bde.; Bd. 3 und 4 von Franz, E. Curtius, Kirchhoff und Röhl). Sonst heben wir seine Arbeiten zu Plato hervor, so die Erstlingsschrift »Commentatio in Platonis qui vulgo fertur Minoem« (Halle 1806), mehrfache aus der Heidelberger Zeit, zuletzt »Untersuchungen über das kosmische System des Platon« (Berl. 1852); sodann »Philolaos' des Pythagoreers Lehren nebst den Bruchstücken« (das. 1819) und die astronomischen Abhandlungen: »Manetho und die Hundssternperiode« (das. 1845), »Zur Geschichte der Mondzyklen der Hellenen« (Leipz. 1855), »Epigraphischchronologische Studien« (2. Beitrag zur Geschichte der Mondzyklen, das. 1856), »Über die vierjährigen Sonnenkreise der Alten« (Berl. 1863). Zu den griechischen Tragikern verdanken wir ihm besonders: »Graecae tragoediae principum, Aeschyli, Sophoclis, Euripidis, num ea quae supersunt et genuina omnia sint et forma primitiva servata« (Heidelb. 1808) und die Abhandlung »Über die Antigone des Sophokles« (2 Abt., Berl. 1824–28), die später mit einer Ausgabe der Antigone vereinigt wurde (das. 1843, 2. Ausg. 1884). Auch an der neuen Ausgabe der Werke Friedrichs d. Gr. hat er wesentlichen Anteil. Die von ihm selbst begonnene Sammlung seiner »Kleinen Schriften« wurde von Ascherson, Bratuscheck und Eichholtz vollendet (Leipz. 1858–74, 7 Bde.). Aus den Originalheften seiner 1809–65 gehaltenen Vorlesungen veröffentlichte Bratuscheck die »Enzyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften« (Leipz. 1877; 2. Aufl. von Klußmann, 1886). Der »Briefwechsel zwischen August B. und Karl Otfried Müller« erschien in Leipzig 1883. Vgl. Sachse, Erinnerungen an B. (Berl. 1868); M. Hoffmann, August B., Lebensbeschreibung und Auswahl aus seinem wissenschaftlichen Briefwechsel (Leipz. 1901).

3) Richard, Statistiker, Sohn des vorigen, geb. 28. März 1824 in Berlin, trat 1845 nach Vollendung seiner staatswissenschaftlichen Studien in den preußischen Staatsdienst, wurde 1852 Regierungsassessor, 1864 Regierungsrat, 1875 Direktor des Statistischen Bureaus der Stadt Berlin und trat Ende 1902 in den Ruhestand. 1881 wurde er zum außerordentlichen Professor, 1885 zum Geheimen Regierungsrat, 1895 zum ordentlichen Honorarprofessor ernannt. Von seinen Arbeiten beziehen sich einige auf die Feststellung und genaue Abgrenzung der Sprachgebiete, so die »Sprachkarte vom preußischen Staat« (Berl. 1864), »Die statistische Bedeutung der Volkssprache als Kennzeichen der Nationalität« (das. 1866), »Der Deutschen Volkszahl und Sprachgebiet« (das. 1869) und die im Verein mit H. Kiepert herausgegebene »Historische Karte von Elsaß-Lothringen« (das. 1871). Von seinen andern Schriften sind hervorzuheben: »Ortschaftsstatistik und historisch-geographische Übersicht des Regierungsbezirks Potsdam« (Berl. 1861); »Die geschichtliche Entwickelung der amtlichen Statistik des preußischen Staats« (das. 1863); »Sterblichkeitstafel für den preußischen Staat im Umfang von 1865« (Jena 1875); »Die Bevölkerungs-, Gewerbe- und Wohnungsaufnahme vom 1. Dez. 1875 in der Stadt Berlin« (Berl. 1878), ebenso die von 1880, 1885, 1890, 1895; »Die Bewegung der Bevölkerung der Stadt Berlin in den Jahren 1869–1878« (das. 1884). Seit 1877 gab er das »Statistische Jahrbuch der Stadt Berlin« (zuletzt für 1899, Berl. 1902) heraus.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 111-112.
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