Kiepert

[891] Kiepert, 1) Heinrich, ausgezeichneter Geograph und Kartograph, geb. 31. Juli 1818 in Berlin, gest. daselbst 21. April 1899, studierte daselbst 1836–40 alte Geschichte, Sprachen und Geographie und begründete seinen wissenschaftlichen Ruf durch den unter Ritters Mitwirkung bearbeiteten »Atlas von Hellas und den hellenischen Kolonien« (Berl. 1841, 24 Blatt; neue Ausg. in 15 Blatt 1871). Hierauf folgten fünf Karten zu Robinsons und Smiths »Palästina« (Halle 1843) und ein »Bibelatlas« (Berl. 1846,8 Blatt, mit Text; 3. Aufl. 1854). Seitdem wendete K. seine Studien vorzugsweise Kleinasien zu, dessen westliche Teile er 1841–42, 1870, 1886 und 1888 auf eigne Kosten bereiste. Als Frucht der ersten Reise erschien die »Karte von Kleinasien« (Berl. 1845,6 Blatt), die höchste Anerkennung fand und nebst seiner »Karte des osmanischen Reiches in Asien« (das. 1844,2 Blatt; neue Bearbeitung in 4 Blatt 1869) die Hauptgrundlage für die Geographie Kleinasiens wurde. Erstere wurde 1884 durch die »Nouvelle carte générale des provinces asiatiques de l'Empire Ottoman« und die 1892 erschienene »Spezialkarte vom westlichen Kleinasien«, nach seinen eignen Reisen und nach andern, größtenteils noch unveröffentlichten Routenaufnahmen von K. selbst bearbeitet (1: 250,000,17 Blatt), letztere durch die »Carte générale de l'Empire Ottoman« (2. Ausg. 1892) ersetzt. 1845–52 leitete K. das Geographische Institut in Weimar und kehrte dann nach Berlin zurück, wo er 1853 zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften, 1859 zum außerordentlichen, 1874 zum ordentlichen Professor der Geographie an der Universität ernannt wurde. Seit 1881 war K. auch Mitglied der Zentraldirektion des archäologischen Instituts. Von seinen Kartenwerken sind noch hervorzuheben: »Historisch-geographischer Atlas der Alten Welt« (Weim. 1848, oft aufgelegt; mit erläuterndem Text); die Fortsetzung des von Grimm und Mahlmann begonnenen »Atlas von Asien zu Ritters Allgemeiner Erdkunde« (Berl. 1852); »Generalkarte der europäischen Türkei« (das. 1853, neu bearbeitet 1880); »Karte der Kaukasusländer« (das. 1854); »Atlas antiquus« (12 Karten zur alten Geschichte, in zahlreichen Auflagen; auch in amerikan., engl., franz., holländ., ital. und russ. Ausgabe erschienen); »Neuer Handatlas über alle Teile der Erde« in 45 Karten (das. 1855 ff., 3. Aufl. 1893 f.); »Wandkarte von Palästina in 8 Blättern« (das. 1857, neueste Bearbeitung 1893); »Karte von Armenien, Kurdistan etc.« (das. 1858,4 Blatt), weitere Spezialkarten über Mexiko, Zentralamerika, Europa, Deutschland, Elsaß-Lothringen, Mittel- und Unteritalien etc., zahlreiche Karten im »Corpus Inscriptionum latinarum«, in der »Zeitschrift für allgemeine Erdkunde« und der »Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde«; Schulwandkarten und Schulatlanten zur alten und modernen Geographie in deutscher, lateinischer, neugriechischer Sprache sowie vorzügliche Erdgloben. 1894 erschien die erste Lieferung seiner »Formae orbis antiqui«, eines großen Atlas der Alten Welt. Auch veröffentlichte K. viele wissenschaftliche Abhandlungen, namentlich über altorientalische Geographie, in den Berichten der Akademie der Wissenschaften. Endlich gab er ein »Lehrbuch der alten Geographie« (Berl. 1879) heraus, dem der »Leitfaden der alten Geographie« (das. 1879, ins Englische und Französische übersetzt) folgte. Sein Bildnis s. Tafel »Geographen« (beim Artikel »Erdkunde«). Vgl. seine Selbstbiographie im »Globus«, 1899, Nr. 19; Partsch, Heinrich K. (in Hettners »Geographischer Zeitschrift«, 1901).

2) Richard, Kartograph, Sohn und Schüler des vorigen, geb. 13. Sept. 1846 in Weimar, studierte in Berlin und Heidelberg Geschichte und Geographie, bereiste 1870 den Orient und lebt seit 1871 in Berlin. Er arbeitete 1874–77 an v. Richthofens Atlas von China, redigierte 1875–87 den »Globus« und hat eine Reihe von Karten herausgegeben, namentlich seit 1877 die neuen Auflagen der Wandkarten, Atlanten etc. seines Vaters sowie zahlreiche Routenkarten afrikanischer Forschungsreisender (in der »Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin«, 1873–85, den »Mitteilungen der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland« und den »Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten«), einen »Wandschulatlas der Länder Europas« (20 Karten, Berl. 1881 ff.) und den »Deutschen Kolonialatlas für den amtlichen Gebrauch in den Schutzgebieten« (das. 1893). 1895 ff. erschienen 15 Blätter einer von ihm für die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes bearbeiteten »Karte von Deutsch-Ostafrika« (1: 300,000). Seit 1900 veröffentlichte er 5 weitere Blätter der von seinem Vater begonnenen »Formae orbis antiqui« und 1902 ff. eine »Karte von Kleinasien« in 24 Blättern (1: 400,000), die größte und inhaltreichste bisher bearbeitete.

3) Ludwig, Mathematiker, geb. 6. Okt. 1846 in Breslau, studierte anfangs Theologie, dann 1865–1871 in Berlin Mathematik und Physik, promovierte 1870 auf Grund der Dissertation »De curvis, quarum arcus integralibus ellipticis primi generis exprimuntur«, wurde 1871 nach Freiburg i. Br. berufen, ging 1877 als ordentlicher Professor an die Technische Hochschule in Darmstadt, 1879 in gleicher Stellung nach Hannover. Seit 1893 ist er im Nebenamt mathematischer Direktor des Preußischen Beamtenvereins und seit 1904 Mitglied des Versicherungsbeirates beim kaiserlichen Aufsichtsamt für Privatversicherung. Seine wichtigsten Arbeiten beziehen sich auf die Transformation und die komplexe Multiplikation der elliptischen Funktionen. Sehr verbreitet ist seine Neubearbeitung von Stegemanns »Grundriß der Differential- und Integralrechnung« in 2 Bänden (Bd. 1: Differentialrechnung, 10. Aufl., Hannov. 1905; Bd. 2: Integralrechnung, 8. Aufl. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 891.
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