Reichensperger

[730] Reichensperger, 1) August, ultramontaner Politiker, geb. 22. März 1808 in Koblenz, gest. 16. Juli 1895 in Köln, studierte die Rechte und stand bis 1879 im Staatsdienst, erst als Landgerichtsrat in Trier und seit 1849 als Appellationsgerichtsrat in Köln. In seiner Jugend für Frankreich schwärmend und nicht besonders kirchlich gesinnt, mehr erst seit 1837, hielt er sich 1848 als Mitglied des Frankfurter Parlaments zur Rechten, stimmte als Mitglied des Erfurter Parlaments 1850 gegen die Union und war 1850–63 Mitglied der preußischen Zweiten Kammer, 1867–84 Mitglied des Reichstags und seit 1879 auch wieder Mitglied des Abgeordnetenhauses. Während er früher mit seinem Bruder Peter (s. unten) die Manteuffelsche Reaktion bekämpft und die Zivilehe verteidigt hatte, stiftete er 1852 die katholische Fraktion, die sich 1861 Zentrum nannte, und ward einer der begabtesten Redner dieser 1871 erneuerten und im Abgeordnetenhaus und Reichstag mächtigen Partei. Von seinen der Kunst gewidmeten Schriften sind hervorzuheben: »Die christlich-germanische Baukunst« (Trier 1852, 3. Ausg. 1860); »Fingerzeige auf dem Gebiete der christlichen Kunst« (Leipz. 1854); »Vermischte Schriften über christliche Kunst« (das. 1856); »Georg Gottlob Ungewitter und sein Wirken als Baumeister« (das. 1866); »Augustus Pugin, der Neubegründer der christlichen Kunst in England« (Freiburg 1877); ferner: »Zur neuern Geschichte des Dombaues in Köln« (Köln 1881); »Phrasen und Schlagwörter« (3. Ausg., Paderb. 1872); »Erinnerungen an E. v. Steinle« (Frankf. 1887) u. a. Vgl. A. M. v. Steinle, Edward v. Steinle und August R. aus ihren Briefen geschildert (Köln 1890); Pastor, August R. 1808–1895 (Freib. i. Br. 1899, 2 Bde.).

2) Peter Franz, Bruder des vorigen, geb. 28. Mai 1810 in Koblenz, gest. 31. Dez. 1892 in Berlin, war seit 1850 Appellationsgerichtsrat in Köln, dann bis zur Auflösung des Obertribunals (1879) Obertribunalsrat in Berlin. 1848 Mitglied der preußischen Nationalversammlung, 1850 des Volkshauses in Erfurt, seit 1858 des preußischen Abgeordnetenhauses und seit 1867 des Reichstags, gehörte er anfangs zur liberalen Opposition, dann zum Zentrum wie sein Bruder (s. oben) und ließ seit 1866, namentlich aber seit dem Kulturkampf, seine ultramontane Gesinnung mehr hervortreten, wenn auch mit Mäßigung. Er schrieb: »Die Agrarfrage« (Trier 1847); »Die freie Agrarverfassung« (Regensb. 1856); »Deutschlands nächste Aufgaben« (mit seinem Bruder August R., Paderb. 1860); »Gegen die Aufhebung der Zinswuchergesetze« (Berl. 1861); »Kulturkampf oder Friede in Staat und Kirche« (1.–4. Aufl., das. 1876); »Die Zins- und Wucherfrage« (das. 1879) und »Erlebnisse eines alten Parlamentariers im Revolutionsjahr 1848« (das. 1882). Eine Sammlung der »Parlamentarischen Reden der Gebrüder August und Peter Franz R.« erschien Regensburg 1858.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 730.
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