Sinnesorgane der Pflanzen.

[493] Sinnesorgane der Pflanzen. Der Umstand, daß die Pflanzen auf äußere Reize in ganz bestimmter Weise durch Bewegungen (s. Pflanzenbewegungen) antworten, beweist, daß auch die Gewächse ein Empfindungsvermögen besitzen. Die Wahrnehmung der von außen kommenden Einflüsse erfolgt in manchen Fällen durch alle Teile des Pflanzenkörpers in gleicher Weise, häufig aber ist sie auf einzelne Teile beschränkt, und man hat in solchen Fällen besondere Strukturen aufgefunden, welche die Übertragung des äußern Reizes auf die reaktionsfähige Substanz des Pflanzenkörpers vermitteln und demnach den Sinnesorganen der Tiere direkt verglichen werden können. Die Wahrnehmung des Berührungsreizes wird bei der Sinnpflanze, der Venusfliegenfalle und andern durch besondere Fühlhaare oder Fühlborsten vermittelt, die durch Hebelwirkung einen leisen Druck verstärkt auf das lebende Protoplasma übertragen; an manchen gegen Berührung empfindlichen Ranken, Griffeln und Staubfäden sind besondere Fühlpapillen oder Fühltüpfel an den Oberflächenzellen nachgewiesen worden, in denen das reizempfängliche Protoplasma den äußern Druck durch eine besonders vorgebildete, dünne Wandstelle aufnimmt. Die Richtung der Schwerkraft, welche die geotropischen Bewegungen der Pflanzen beeinflußt, wird durch besondere Zellen (Statocysten) vermittelt, in denen Stärkekörner oder andre, dem Zug der Schwere folgende Körper (Statolithen), bei Lagenänderung[493] der Pflanze, einen Druck auf eine reizbare Plasmapartie ausüben. Die Wahrnehmung der Richtung des einfallenden Lichtes ist bei gewissen Graskeimlingen in der Spitze der Keimscheide lokalisiert. Als Lichtsinnesorgane sind ferner die papillösen Oberhautzellen gewisser Laubblätter bezeichnet worden, in denen bei abnormer Lichtstellung die Lichtstrahlen durch Brechung auf das reizempfindliche Protoplasma der Seitenwände und der angrenzenden Randteile der Zellgrundfläche vereinigt werden, wodurch der Anstoß zu der heliotropischen Bewegung zur Wiederaufsuchung der normalen Lichtlage gegeben wird. Auch für die Wahrnehmung chemischer Reize sind besondere S. nachgewiesen worden, wie die Drüsenköpfe der Tentakeln des Sonnentaublattes, die durch die Berührung mit stickstoffhaltigen Substanzen zu intensiven Krümmungsbewegungen veranlaßt werden, bei Reizung durch stickstofffreie Stoffe dagegen bald in ihre normale Lage zurückkehren. Vgl. Haberlandt, Die Sinnesorgane im Pflanzenreich (Leipz. 1901) und Die Lichtsinnesorgane der Laubblätter (das. 1905); Noll, Das Sinnesleben der Pflanzen (Frankf. a. M. 1896); Giesenhagen im »Nerthus«, 1904, Heft 14–16 (Altona).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 493-494.
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