Sonnenfels

[604] Sonnenfels, Joseph von, Schriftsteller, geb. 1732 zu Nikolsburg in Mähren von jüdischen Eltern, gest. 25. April 1817 in Wien, besuchte, nachdem der Vater mit seinen Kindern zum Christentum übergetreten war, in seiner Vaterstadt die Schule der Piaristen und wollte anfangs Mönch werden, wählte aber 1749 den Soldatenstand und diente fünf Jahre im Deutschmeisterregiment zu Klagenfurt und Wien. Hierauf beschäftigte er sich in Wien mit Rechtsstudien und arbeitete als Gehilfe bei einem Advokaten. Zugleich suchte er die Wiener mit der neuern deutschen Literatur, die neben und nach den Erzeugnissen der Gottschedschen Schule frisch aufgeschossen war, bekannt zu machen, schrieb Wochenblätter (»Der Mann ohne Vorurteil«, 1765–67) und eiferte in gleicher Weise gegen die Wiener Bühne, auf der noch immer die Hanswurststücke vorherrschten, und zu deren Reform er durch seine »Briefe über die wienerische Schaubühne« (Wien 1768, 4 Bde.; Neudruck 1884) sowie durch seine Wirksamkeit als Theaterzensor (seit 1770) wesentlich beitrug. Weit wichtiger ist seine Bekämpfung der Tortur, die infolge seiner Schrift »Über Abschaffung der Tortur« (Zür. 1775) in ganz Österreich wirklich beseitigt wurde. S. hatte inzwischen (1763) die Professur der politischen Wissenschaften an der Wiener Universität erhalten; später wurde er von der Kaiserin Maria Theresia zum Rat, 1780 zum Wirklichen Hofrat bei der Geheimen böhmischen und österreichischen Hofkanzlei und zum Mitglied der Studien- und Zensurkommission, 1797 zum Reichsfreiherrn, endlich 1811 zum Präsidenten der k. k. Akademie der bildenden Künste ernannt. Auch auf dem Gebiete der Polizei und des Finanzwesens hat er sich durch Anregung wesentlicher Verbesserungen großes Verdienst erworben. Diesem Zwecke dienten namentlich das »Handbuch der innern Staatsverwaltung« (Wien 1798) und besonders die »Grundsätze der Polizei, Handlung und Finanz« (das. 1804, 3 Tle.). Durch seine kleinliche Eitelkeit und seine Neigung zum Cliquenwesen machte er sich viele Feinde. Auf der Elisabethbrücke in Wien wurde seine Statue (von Hans Gasser) errichtet. Seine »Gesammelten Schriften« erschienen Wien 1783–87 in 13 Bänden. Vgl. W. Müller, Joseph v. S. (Wien 1882); Kopetzky, Joseph und Franz v. S. (das. 1882); v. Görner, Der Hanswurststreit in Wien und Joseph v. S. (das. 1884); Simonson, Joseph v. S. und seine ›Grundsätze der Polizei‹ (Leipz. 1885).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 604.
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