Strohflechterei

[125] Strohflechterei, die Kunst, aus Stroh Hüte, Kappen, Arbeitstaschen, Schuhe, Zigarrentaschen, seine Treffen etc. in zahlreichen Mustern, oft mosaikartig, durch Flechtarbeit herzustellen. Diese Kunst, etwa seit Anfang des 19. Jahrh. in Italien blühend, hat sich von dort auch über andre Länder verbreitet. Das zur Flechtarbeit bestimmte Stroh stammt von einer besondern Sorte Sommerweizen (Grano marzolana; Marzolanostroh) oder Sommerroggen und wird gewonnen, indem man Sommerweizen (in Italien) oder Sommerroggen (im Schwarzwald) sehr dicht sät und zu gröbern Geflechten geeignete Halme aus dem gemähten reisen Getreide ausliest oder zu feinern Arbeiten das Getreide bald nach der Blüte bei trockener, heißer Witterung schneidet. Das Stroh muß schnell trocknen, eventuell unter Dach, wird dann auf dem Rasen gebleicht, geschwefelt und nach den Knoten in 20 bis 24 cm lange Stücke geteilt, die man nochmals bleicht und sehr sorgfältig sortiert. Das seine italienische Stroh wird ungespalten verarbeitet und dann flach gepreßt; das minder seine Stroh andrer Länder wird mittels eines Werkzeuges (Strohspalter) mit sternförmig gestellten Schneiden in 7–15 Streifen (Zähne) gespalten. Aus 11–13 solchen Streifen werden zunächst lange Tressen geflochten, die man nach dem Waschen, Pressen oder Walzen mittels einer seinen Naht zu Hüten etc. zusammenfügt. Das fertige Stück wird abermals gewaschen, gebleicht und zuletzt geglättet. Vgl. Hut, S. 674. Die feinsten Strohflechtereien liefert Toskana, von wo auch viele Tressen und sortiertes Stroh ausgeführt werden. In Vicenza werden ebenfalls sehr seine, bei Mantua und Lodi aber geringere Waren hergestellt. Die Schweiz liefert den italienischen nahekommende Tressen in Freiburg, geringere in Aarau, Glarus, Genf. Ebenso hoch steht die Industrie in Belgien, während Frankreich nur gröbere Landware zu erzeugen scheint. In England sind Bedford, Hertford, Bux Hauptsitze der S. In Deutschland blüht diese Industrie in Sachsen, seit Mitte des 18. Jahrh. im Schwarzwald, in den schlesischen Webereidistrikten und vor allem in Lindenberg bei Lindau, wo sie schon 1765 bestand. Böhmen, Tirol u. Krain liefern geringere Tressen. In China blüht die S. in der Präfektur Laitschoufu in Schantung, von wo die Waren zur Veredelung auch nach Deutschland gelangen. Auch Japan liefert viele Strohflechtereien. Vgl. Andés, Die Verarbeitung des Strohes (Wien 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 125.
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