Tintoretto

[563] Tintoretto, eigentlich Jacopo Robusti, genannt il T. (»das Färberlein«, nach dem Handwerk seines Vaters), ital. Maler, geb. 1518 in Venedig. gest. daselbst 31. Mai 1594, war anfangs Schüler Tizians, schlug jedoch bald eine eigne Richtung ein. die durch seinen Wahlspruch: »Von Michelangelo die Zeichnung, von Tizian die Farbe« deutlich bezeichnet ist, wie in der Tat seine Werke das Streben zeigen, die Größe des florentinischen Stils mit den Vorzügen seiner heimatlichen Schule zu verbinden. T. ist der[563] Hauptmeister der zweiten Generation der venezianischen Malerschule, seinem leidenschaftlichen Temperament nach von den Führern der ersten sehr verschieden, an Erfindungsreichtum und dramatischer Gestaltungskraft wie an technischer Meisterschaft aber ihnen nicht unterlegen. Die Fülle seiner Gestalten, die Häufung genreartiger Nebenhandlungen, die das Hauptgeschehnis zuweilen zu erdrücken scheinen, die Kühnheit seiner Verkürzungen und Lichteffekte, vor allem aber die Massenhaftigkeit seiner Produktion, bei der Flüchtigkeiten unvermeidlich waren, haben ihn besonders im 19. Jahrh. lange in den Ruf eines seelenlosen Virtuosen und Schnellmalers gebracht, und erst heute mit dem wachsenden Verständnis für die Barockkunst erkennt man seine glänzenden Eigenschaften voll an. Denn der Übergang zum Barock, der sich bei Michelangelo vorbereitet, ist bei ihm vollzogen. Zugleich ist T. ein Bahnbrecher der Landschaftsmalerei und einer der gewaltigsten Bildnismaler aller Zeiten. Sein Kolorit ist wirkungsvoll, warm und tief, doch haben viele seiner Gemälde durch ungenügende Untermalung, Nachdunkeln und schlechte Restauration viel von ihrer ursprünglichen Farbenpracht eingebüßt. Von den Werken seiner frühern Zeit, in der er zuerst Schiavone, Bonifazio und Tizian nahestand, sind eine Darstellung im Tempel (in Santa Maria del Carmine zu Venedig), die Ehebrecherin vor Christus (im Prado zu Madrid), die Auffindung des heil. Kreuzes durch Helena (Santa Maria Mater Domini in Venedig), die Himmelfahrt der Maria (Akademie daselbst), Vulkan, Venus und Amor (Pittipalast in Florenz) hervorzuheben. In die Zeit seiner Reise fallen das Wunder des heil. Markus (Hauptwerk, Akademie in Venedig) und mehrere andre Bilder aus dem Leben dieses Heiligen (Palazzo reale daselbst und Brera in Mailand), das Wunder der heil. Agnes und (später) die Anbetung des Kalbes, das Jüngste Gericht, der Tempelgang Mariä und andre Bilder (Santa Maria dell' Orto in Venedig), der Drachenkampf des heil. Georg (Nationalgalerie in London), mehrere mythologische Bilder mit prachtvollen weiblichen Akten (in Modena, Florenz, Berlin, Dresden u. a. O.), die Hochzeit von Kana (in Santa Maria della Salute zu Venedig), die Beweinung Christi (in der Akademie daselbst), Susanna im Bade (im Wiener Hofmuseum und im Louvre zu Paris). Seiner letzten Zeit endlich (seit 1580) gehören die von höchstem Leben erfüllten eigenhändig ausgeführten Szenen aus dem Leben der Maria und Christi in der Scuola di San Rocco zu Venedig an, wo er früher schon Darstellungen aus dem Alten Testament, der Passion und Deckenbilder gemalt hatte, die Mannalese und das Abendmahl in San Giorgio Maggiore und die meisten der fast ganz von Schülerhand ausgeführten Malereien im Dogenpalast daselbst (darunter das 32 Fuß hohe, 79 Fuß breite Paradies). Seine schönsten Bildnisse befinden sich im Dogenpalast und in der Akademie zu Venedig, in Wien und Madrid. – Sein Sohn Domenico, ebenfalls il Tintoretto genannt (1562–1637), leistete im Porträtfach Tüchtiges, malte aber auch Mythologisches und Historisches, unter anderm das Seegefecht zwischen den Venezianern und Kaiser Otto (im großen Ratssaal zu Venedig). Vgl. Janitschek in Dohmes »Kunst und Künstler« (Leipz. 1876); Stearns, Life and genius of J. Robusti, called T. (Lond. 1895); Berenson, Venetian painters (3. Aufl., das. 1901); Thode, Tintoretto (Bielef. 1901); Holborn, Jacopo Robusti, called T. (Lond. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 563-564.
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