Tropenkrankheiten

[745] Tropenkrankheiten, Krankheiten, die vorzugsweise in den Tropen und auch im subtropischen Klima herrschen und durch klimatische und Bodenverhältnisse, eigenartige pathogene Mikroorganismen und die Lebensweise hervorgerufen werden. Bisweilen werden T. in gemäßigte Zonen von den wärmern Ländern eingeschleppt, wie Pest, Cholera, Gelbfieber und Denguefieber. Die auch in kühlern Ländern heimische Malaria (Wechselfieber) tritt als Tropenfieber in verschiedenen schweren Formen auf. Manche eigentümliche, zum Teil noch nicht hinreichend erforschte Fieberkrankheiten, wie das in Bengalen vorkommende Nashafieber, das in Überschwemmungsgebieten Japans auftretende Fluß- oder Überschwemmungsfieber, haben vielleicht Beziehungen zur Malaria, ebenso das Schwarzwasserfieber. Die Ruhr oder Dysenterie herrscht in den Tropen in endemischer Form und ist die Ursache andrer Erkrankungen, namentlich der sehr häufigen Leberleiden. Außer Lebervergrößerung finden sich häufig Leberabszesse, die von den durch Ruhr verursachten Darmgeschwüren ausgehen. Magen- und Darmerkrankungen sind in den Tropen namentlich dann häufig, wenn Europäer die in kältern Ländern gewöhnte Lebensweise unverändert beibehalten. Unter vielen Formen von chronischem Darmkatarrh mit Diarrhöe hat man als Tropische Aphthen bezeichnete Erkrankung zu unterscheiden gesucht, die durch hartnäckigen Durchfall mit Abmagerung und Blutarmut und eigentümliche geschwürige Mundaffektionen gekennzeichnet ist und häufig zum Tode führt. Zahlreiche anders bezeichnete Darmerkrankungen (Cochinchinadiarrhöe, Spruc) sind teils mit diesen Aphthen identisch, teils wohl auf andre Darmschädigungen, namentlich auf Darmschmarotzer, zurückzuführen. Eine dem tropischen Afrika eigentümliche, namentlich bei den Negern verbreitete Krankheit ist die Schlafkrankheit, die durch Trypanosomen verursacht wird. Auch bei andern tropischen Erkrankungen, z. B. bei der Aleppo- oder Orientbeule, will man Trypanosomen gefunden haben. Tierische Schmarotzer spielen in der Pathologie der Tropen eine große Rolle. Das Distomum haematobium lebt in den Venen der Pfortadergebiete und der Harnorgane und verursacht die Bilharziakrankheit; verschiedene andre in China, Japan und Tongking vorkommende Distomum-Arten setzen sich in den Gallengängen fest und erzeugen, ähnlich dem Leberdistomum beim Rindvieh unsrer Zonen, gefährliche Zustände. Das Distomum pulmonale verursacht durch Ansiedelung in den Bronchialästen eine in Japan, China und Formosa einheimische chronische Lungenerkrankung. Durch Filarien (s. Filariaden) werden in Afrika und Asien die Filariakrankheit (Blutharnen, Elephantiasis) und die Medinawurmkrankheit hervorgerufen. [745] Hautkrankheiten sind unter den tropischen Erkrankungen zahlreich vertreten. Ein durch Hitze und intensive Besonnung erzeugtes Ekzem wird als roter Hund bezeichnet, auch das Krokro (s. d.) ist eine oberflächliche Hautentzündung (afrikanische Westküste); ein dem Trichophyton tonsurans, dem Erreger der scherenden Flechte, ähnlicher Fadenpilz erzeugt die im Malaiischen Archipel verbreitete Tinea imbricata, bei der sich seidenpapierartige Epidermisschuppen auf großen Hautbezirken bilden. Durch verschiedenartige Bakterien werden in den tropischen Ländern auch leichte Verletzungen leicht in bösartige, brandig zerfallende Geschwüre übergeführt: tropischer Phagedänismus. In Vorderindien verbreitet ist der Madurafuß (s. d.), eine chronische Hautkrankheit der Neger ist das Ainhum (s. d.). Von Nervenerkrankungen sind für die Tropen, jedoch auch für subtropische Länder charakteristisch, die Beriberikrankheit; von Geisteskrankheiten ist das bei den Malaien verbreitete Amok- oder Amucklaufen (s. d.) eine akute Psychose mit maniakalischen Symptomen zu erwähnen. Europäer verfallen in den Tropen leicht einer allmählich eintretenden Abnahme der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, wodurch eine zeitweise Unterbrechung des Aufenthalts in tropischem Klima erwünscht erscheint. Zur Vermeidung dieses Nachteils und zur Verhütung vieler T. kann der Europäer wesentlich beitragen durch eine dem Klima angepaßte Lebensweise. Vgl. Artikel »Schiffs- und Tropenkrankheiten, Institut für«, und Sullivan, The endemic diseases of tropical climates (Lond. 1877); Kelsch und Kiener, Traité des maladies des pays chauds (Par. 1888); Duncan, The prevention ot diseases in tropical and sub-tropical campaigns (Lond. 1888); Falkenstein, Ärztlicher Reisebegleiter und Hausfreund (10. Aufl., Berl. 1893); Maclean, Diseases of tropical climates (Lond. 1887); Fisch, Tropische Krankheiten (3. Aufl., Basel 1903); Scheube, Die Krankheiten der warmen Länder (3. Aufl., Jena 1903); Mense, Handbuch der T. (Leipz. 1906, 3 Bde.); Hey, Der Tropenarzt (Offenbach 1906); Manson, Tropical diseases (4. Aufl., Lond. 1907); »Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene« (hrsg. von Mense, Kassel, seit 1897). – Über T. der Haustieres. Malaria, Pferdesterbe, Piroplasmosen und Trypanosoma.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 745-746.
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