Waldis

[331] Waldis, Burkard, deutscher Dichter, geb. um 1490 in Allendorf an der Werra, gest. 1556 oder 1557 zu Abterode in Hessen, wurde Mönch und trat in ein[331] Franziskanerkloster in Riga. Von da ging er, als die Reformation immer größere Fortschritte machte, im Auftrag des Bischofs mit zwei Ordensbrüdern auf Reisen (1523), um in Deutschland beim Kaiser und in Rom beim Papst um Hilfe nachzusuchen. Bei der Rückkehr nach Riga wurde er 1524 auf Veranlassung der lutherisch gesinnten Ratsherren ins Gefängnis gesetzt und vollzog hier den Übertritt zur neuen Lehre; es scheint, daß seine italienischen Reiseeindrücke ihn mit zu diesem Schritt bestimmten. Er wurde nun in Riga Zinngießer. 1536 wurde er wegen Beteiligung an einer Verschwörung gegen den Deutschen Orden wieder ins Gefängnis geworfen und erst 1540 befreit. Hierauf kehrte er in seine hessische Heimat zurück, wo er dem Landgrafen Philipp dem Großmütigen in dem Streit mit Herzog Heinrich dem Jüngern von Braunschweig mit seiner satirischen Feder zu Hilfe kam. Nachdem er sich schon 1541 zum Zweck der Vorbereitung auf ein geistliches Amt nach Wittenberg begeben hatte, wurde er 1544 Pfarrer in Abterode. Seine erste Dichtung ist das geistliche Fastnachtsspiel »Vom verlornen Sohn« (ausgeführt Riga 1527), wo die biblische Parabel in protestantisch-polemischem Sinne behandelt ist. Sein »Esopus, Gantz New gemacht und in Reimen gefaßt. Mit sampt Hundert Newer Fabeln« (Frankf. 1548, 6. Aufl. 1584) enthält 400 Fabeln, Erzählungen und Schwänke, die zum großen Teil den Bearbeitern Äsops und andern alten Fabeldichtern lebendig, wenn auch mitunter zu weitschweifig, nacherzählt sind. Auch in diese Dichtgattung hat W. die antikatholische Polemik hineingetragen. Während seiner zweiten Gefangenschaft hat er den Psalter »in künstliche Reimen gebracht«. Endlich sei noch sein »Päpstisch Reich« (1555), eine umfangreiche Satire nach dem Lateinischen des Naogeorgus, erwähnt. Am berühmtesten wurde W. durch seine Fabeln, auch neuere Dichter, wie Gellert. Zachariä und Hagedorn, entlehnten zu manchen ihrer besten Gedichte den Stoff und selbst die Einkleidung von W. Eine Auswahl seiner Fabeln gab Eschenburg (Braunschw. 1777) heraus; vollständige Ausgaben lieferten H. Kurz (Leipz. 1862, 2 Bde.) und Tittmann (das. 1882, 2 Bde.). Neudrucke seines Fastnachtsspiels »Vom verlornen Sohn« und der »Streitgedichte gegen Herzog Heinrich den Jüngern von Braunschweig« erschienen Halle 1881 u. 1883. Vgl. Goedeke, Burkard W. (Hannov. 1852); Berkholz, Burkard W. im Jahr 1527 in Riga (Riga 1855); Milchsack, Burkard W. (Halle 1881).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 331-332.
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