Wullenweber

[764] Wullenweber, Jürgen, lübeckischer Staatsmann, geb. 1492 in Lübeck, gest. 29. Sept. 1537, Kaufmann und Führer der demokratisch-protestantischen Bürgerschaft in Lübeck, ward, nachdem er an dem Zuge nach Norwegen gegen Christian II. von Dänemark teilgenommen, 1533 Bürgermeister. Der reformatorischen Bewegung zugetan und Feind alles aristokratischen Wesens, suchte W. die sinkende Macht der Hansa durch Unterjochung der Dänen und Ausbreitung der Demokratie und des Protestantismus unter Führung Lübecks als Beherrscherin der Ostsee wieder zu heben. Ein Volksaufstand stürzte die Patrizier im Rate, worauf Graf Christoph von Oldenburg mit der lübischen Flotte und einem Landheer 1534 den Krieg gegen Dänemark begann. Als dieser eine ungünstige Wendung nahm, ging W. selbst nach Seeland. In seiner Abwesenheit gelangte in Lübeck die aristokratische Partei wieder zu Einfluß. Zwar beschloß ein Hansetag zu Lübeck die Fortführung des Krieges, aber während W. auf einer Sendung an den [764] Herzog Heinrich von Mecklenburg abwesend war, lief in Lübeck ein Exekutorialmandat des Reichskammergerichts vom 7. Juni 1535 ein, das die Stadt mit der Reichsacht bedrohte, wenn nicht binnen 45 Tagen die alte aristokratische Verfassung wiederhergestellt sein würde. Dies geschah auch im August 1535. W. legte nach seiner Rückkehr 26. Aug. seine Würde nieder. Bald darauf wurde er von dem Erzbischof Christoph von Bremen verhaftet und dessen Bruder, dem Herzog Heinrich dem Jüngern von Braunschweig, einem erklärten Feinde des Luthertums, überliefert, der ihn zu Steinbrück bei Wolfenbüttel gefangen setzte. Die Folter erpreßte ihm die widersinnigsten Selbstanklagen. Auf dem Tollenstein bei Wolfenbüttel ward öffentliches Gericht über W. gehalten und 24. Sept. 1537 die Strafe des Vierteilens über ihn verhängt, die der Herzog in die des Schwertes verwandelte. Diese wurde 29. Sept. d. J. an ihm vollzogen; sein Leichnam ward gevierteilt und aufs Rad gelegt. Vgl. Waitz, Lübeck unter Jürgen W. und die europäische Politik (Berl. 1855–56, 3 Bde.). Gutzkow und Heinrich Kruse benutzten den Stoff zu einem Trauerspiel, Ludwig Köhler zu einem Roman.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 764-765.
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