Epilepsie

[798] Epilepsie (v. gr.), Krankheit, die vornehmlich in periodisch wiederkehrenden tonischen u. klonischen Krämpfen, mit Bewußt- u. Gefühllosigkeit des ganzen Körpers, od. doch des größten Theiles der Bewegungsorgane besteht. Sie beginnt oft mit dem Gefühl des Anwehens, od. Aufsteigens einer kalten od. warmen Luft (Epileptischer Hauch, Aura epileptica) zum Herzen u. Kopfe von den Gliedern aus, einem Kriebeln, Ameisenlauf, od. einem von den Füßen od. Händen zum Kopfe aufsteigenden elektrischen Schlag. Vorboten sind: Schwindel, Schaudern, Schlaflosigkeit, Zittern einzelner Muskeln, der Augenlider, des Mundes, Gähnen, erschwertes Athmen, Thränenerguß, Flimmern, Ohrensausen etc.; doch überrascht auch wohl der Anfall die Kranken, so daß sie unerwartet Bewußtsein u. Empfindungen verlieren, meist mit einem heftigen Schrei plötzlich zusammensinken, indem sogleich die heftigsten Convulsionen beginnen u. zuweilen nur wenige Minuten, zuweilen aber auch eine Stunde u. länger anhalten. Der Puls u. das Athmen sind dabei Anfangs langsam u. unterdrückt, später beschleunigt, Letzteres ängstlich. Das Einschlagen des Daumen ist kein wesentliches Zeichen, u. eben so wenig das Bemühen, denselben gerade zu richten, von Nutzen. Nach u. nach nehmen diese Erscheinungen ab, der Kranke wird ruhiger u. verfällt in Schlaf, aus dem er früher od. späterer wacht, ohne Erinnerung des Vorhergegangenen, wohl aber mit dem Gefühl von Schwere, Mattigkeit u. Zerschlagenheit des ganzen Körpers, bes. des Kopfes. Man unterscheidet viele Formen der E., nach dem Verlauf typische u. atypische E., nach dem Charakter vollkommene unvollkommene, acute, chronische, symptomatische, erbliche u. erworbene E. Die nächste Ursache ist in einer eigenen Verstimmung des Nervensystems begründet, das aber auch sympathisch od. secundär von anderen Theilen aus dabei leiden kann, Die Anlage dazu ist oft angeboren, öfters[798] bedingt durch einen starken Muskel- u. Knochenbau (Habitus epilepticus), u. gern bricht sie in der Epoche der Geschlechtsentwickelung aus. Besondere Ursachen sind organische Fehler im Gehirn od. Rückenmark (Epilepsia cerebralis, E. medullaris), heftige Gemüthsbewegungen, Genuß zu vieler geistiger Getränke u. Samenverschwendung, bes. durch Onanie, Überladung des Magens, auch andere Reize im Unterleib, worunter auch Würmer (E. abdominalis), andere vorhandene Krankheiten etc. Eine besondere, mehr als vorübergehendes Leiden auftretende Art der E. ist die sogenannte Eklampsie, Kinder bis zum 7. Lebensjahre u. Gebärende (E. parturientium), theils während, theils nach der Geburt häufig heimsuchend u. vorzüglich Letzteren oft lebensgefährlich, auch beim Ausbruch von Ausschlägen etc. auftretend. Die Heilung ist im Allgemeinen schwierig u. gelingt nur durch sorgsames Wachen, daß heftige u. ungewöhnliche Reize u. die veranlassenden u. entfernbaren Ursachen entfernt werden, meist auch nur im jugendlichen Alter; doch begünstigt die Heilung der E. von jungen Leuten häufig auch der Eintritt in das mittlere Lebensalter. In den Anfällen ist kaum etwas anderes vorzunehmen, als zu verhüten, daß der Kranke sich durch die gewaltsamen Muskelbewegungen verletze. Zu den zu Verhütung der Wiederkehr der Anfälle gepriesenen Mitteln (Epilectĭca) gehören Pomeranzenblätter, Baldrianwurzel, Eichenmistel, Arnica, Zink, Wismuthkalk, Dippels Ol, der Fliegenschwamm, Belladonna, Kupfersalmiak, Höllenstein, Thierkohle, Ignatiusbohne u.a.m. Die Eklampsie der Kinder wird theils durch Säure bindende Mittel, Magnesia, kohlensaures Kali, abführende, vorzüglich Calomel, bei deutlichem Hirnleiden Blutegel u. kalte Umschläge auf den Kopf, ableitende Hautreize, Klystiere u. Krampf stillende, Zink, Moschus etc., geheilt; die E. der Gebärenden erheischt Aderlässe, Moschus, Bibergeil, äußere Hautreize, die künstliche Entbindung. Portal über die Natur u. Behandlung der E., aus dem Französischen von Hille, Lpz. 1827; auch von Hermes, Stendal 1828; Albers, Zwei mechanische Verfahrungsweisen, die Anfälle der E. zu mäßigen, in Vierordts Archiv, 2. Jahrg. 1852; Herpin, Du prognostic et du traitement curatif de l'épilepsie. Paris 1852; Landmann, Erkenntniß u. Heilung der E., Fürth 1853; Wittmaack, Die intermittirenden chronischen Cerebralkrämpfe, Lpz. 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 798-799.
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